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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Mediatorenkonzepte was gibt es Neues?

Von Herbert Schmid

Dieser Artikel befaßt sich mit dem Mediatorenansatz bei der Behandlung von Problemkindern: wie er ent­standen ist, wie er begründet wird, wie er in Eltern­und Lehrertrainings verwirklicht wird. Anhand neue­rer Literatur wird gezeigt, wie sich die Inhalte, Me­thoden und Ziele der Mediatorentrainings in den letz­ten Jahren gewandelt haben. Besonders hervorgeho­ben wird, daß die Arbeit mit Mediatoren bei ihrer Alltagspsychologie ansetzen muß.

This article discusses the mediator approach in the treatment of problem children: how it began, how it is justified, how it is realized in parent and teacher trainings. A review of the recent literature shows the new trends in the contents, methods and goals of mediator trainings. Special attention is called to the common sense psychology as the starting-point of the work with mediators.

Einleitung: Therapeuten haben Eltern wiederentdeckt

Viele Kinderpsychotherapeuten gingen lange davon aus, daß vor allem innerpsy­chische Konflikte das Verhalten bestim­men. Als Kenner der psychischen Dyna­mik behandelten sie Problemkinder der­gestalt, daß den Kindern ermöglicht wer­den sollte, im Spiel ihre Konflikte sym­bolisch zu lösen. Dabei wurden die El­tern kaum in die Behandlung einbezo­gen. Die Therapie fand im Behandlungs­zimmer des Therapeuten statt.

Mit dem grundlegenden Buch von Tharp & Wetzel:Verhaltensänderung im gege­benen Sozialfeld(englisch 1969, deutsch 1975) tauchte eine neue Sicht­weise auf: das Mediatorenkonzept. Die Idee, das natürliche Umfeld und die en­gen Bezugspersonen vermehrt einzube­ziehen und die therapeutischen Maßnah­men vom Therapiezimmer in die Lebens­welt des Problemkindes zu verlegen, wur­de vor allem von Kinderpsychologen und Kinderpsychotherapeuten an kli­nisch-psychologischen, schulpsychologi­schen und heilpädagogischen Beratungs­und Behandlungsstellen rasch aufgegrif­fen.

Die Hypothese, daß unerwünschtes wie auch erwünschtes kindliches Verhalten seine Ursachen nicht nur im Kind selbst

hat, sondern weitgehend auch darin, wie die Mitwelt darauf reagiert, überzeugte. Daß die psychotherapeutische Arbeit mit Kindern nun wesentlich die Erzie­hungspersonen einzubeziehen hatte, war folgerichtig. Die Erkenntnisse der mo­dernen Verhaltenstheorie und die Ablö­sung des medizinischen Krankheitsmo­dells durch ein sozialpsychologisches Störungsmodell haben zur Verbesserung des Mediatorenkonzeptes beigetragen. Vielerorts ist heute der planmäßige und theoretisch begründete Einbezug der en­gen Bezugspersonen eines Kindes, in der Regel sind es die Eltern, ein Bestandteil kindertherapeutischer Arbeit, der nicht mehr wegzudenken ist.

Eltern- und Lehrertrainings: Die Verwirklichung des Mediatorenkonzepts

Kurz nachdem Tharp und Wetzel das Mediatorenkonzept theoretisch begrün­det hatten und z.T. auch unabhängig von ihnen, wurde in den 70er Jahren Elterntraining zum Schlagwort, nicht nur in der Fachliteratur, sondern auch in den Medien und den Kursprogram­men vieler Institutionen(W. Spiess 1980). Innert kurzer Zeit häuften sich

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988

die Kurs- oder Trainingsprogramme für Eltern(Florin& Tunner 1970; Gordon 1972; Becker 1974; Perrez, Minsel& Wimmer 1974; Innerhofer 1977), für El­tern behinderter Kinder(Kane& Kane 1976; Schmitz 1976) und für Lehrer (Belschner u.a. 1973; Kern 1974; Gor­don 1977; Adameit u.a. 1978).

Überall galt das Motto: Problemlösung nicht mehr an Experten delegieren, son­dern Eltern und Lehrer bei Lern-, Erzie­hungs- und Verhaltensschwierigkeiten aktiv in Diagnose und Therapie einbezie­hen; sie sind, wenn richtig angeleitet, die fähigsten Helfer ihrer Problemkinder! Die Erzieher wurden so vor allem in der systematischen Verhaltensbeobachtung in der natürlichen Umgebung geschult, in der Verhaltensanalyse, den Verstär­kungstechniken, der Verhaltensformung, der Verhaltensdiskriminierung usw., kurz: in den klassischen Techniken der Verhaltenstherapie. Dabei war die Ver­wendung von negativen Verstärkern we­gen ihrer unerwünschten Nebenwirkun­gen lange ein Tabu. Daß es aber auch sinnvoll sein kann, Elternstrafende verhaltensmodifikatorische Techniken wie Time Out beizubringen, konnten R.L. Forehand& R.J. MacMahon in ih­rem ElterntrainingsprogrammHelping the noncompliant Child. A Clinicians Guide to Parent Training(1981) zei­gen.

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