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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

kerten britischen Stand. Die Auseinan­dersetzung mit ihm dürfte sich in Zu­kunft als sehr fruchtbar erweisen. Wenn auch bedachtsam thematisch ge­ordnet, stehen die Aufsätze doch nicht in inhaltlich-stringenter Folge. Gleich­berechtigt und zum Teil widersprüchlich finden wir etwa eine Projektbeschrei­bung oder Gartenteich-Bauanleitung ne­ben anthropologischen Überlegungen, einen spezifischen curricularen Vorent­wurf neben grundsätzlichen schulpäda­gogischen Grenzziehungen. Gerade in dieser Offenheit liegt der eigentliche Wert des Buches. Sie erlaubt dem Leser einen Problemeinstieg am subjektiv be­deutsamen Punkt, drängt ihn zur Offen­legung von Widersprüchen, Entwicklung von Ansätzen, Überprüfung der Mach­barkeit theoretischer Vorgaben, kurz: zum Einstieg in einen Prozeß, der letzt­lich in der Verwirklichung eines ökolo­gischen Curriculums und nicht nur ei­nes Cirruculums der Ökologie enden soll, den allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt hochgradig zu strukturieren vermessen und gefährlich wäre. So kann in der Einleitung resümiert wer­den:Wir haben an der Stelle, an der wir uns jetzt befinden, Gelegenheit, das Gesammelte zu vergleichen, auszutau­schen, einiges als ungeeignet zu verwer­fen und einige noch nicht an unserem Sammelplatz befindliche Wanderer ein­zuladen, sich uns anzuschließen. Gebhard Theis, Köln

Bächtold, Andreas, Jeltsch-Schudel, Bar­bara& Schlienger, Ines(Hrsg.): Sonder­pädagogik. Handlung, Forschung, Wis­senschaft. Festschrift zum 60. Geburts­tag von Prof. Dr. Gerhard Heese., Berlin (Marhold) 1986.

Auf mehr als 550 Seiten vereinigt der Band 33 Beiträge zu unterschiedlichen Bereichen der Sonderpädagogik. Sowohl in der Fragestellung als auch in der Art ihrer Bearbeitung finden sich Unterschie­de und Vielfalt, so daß neben allgemei­nen(sonder-)pädagogischen Themen auch ganz spezielle Fragen aus sonder­pädagogischen Teildisziplinen behandelt

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werden. Philosophische Betrachtungen wechseln sich mit kritischen Anfragen, Bestandsaufnahmen und den Darstellun­gen empirischer Untersuchungen ab. Aus diesem breiten Spektrum ergibt sich insgesamt ein ausgezeichneter Überblick über den aktuellen Stand der Sonder­pädagogik im schweizerischen wie im bundesrepublikanischen Raum. Wer wis­sen möchte, welche Probleme derzeit für die sonderpädagogische Praxis bestim­mend sind und an welchen Fragen sich das Interesse der Wissenschaftler entzün­det, kann sich durch die Lektüre eine gute Allgemeinorientierung und zahlrei­che spezielle Einblicke verschaffen.

Die Herausgeber sehen in der großen Bandbreite der vorgestellten Ansätze und Befunde eine gute Voraussetzung zur belebenden Auseinandersetzung in­nerhalb der Sonderpädagogik. Einer Ho­rizontverengung und einem Alleinvertre­tungsanspruch auf den richtigen Weg in der Praxis würde dadurch vorgebeugt. Sie teilen die Beiträge den Kapiteln Sonderpädagogische Grundfragen, Sonderpädagogik in Lebenswelten und Sonderpädagogik im Lebenslauf zu und kommen damit zu einer leseerleich­ternden Systematik. Außerdem ergeben sich für den Leser in einer ausführlichen Einleitung durch Kurzkommentare wei­tere Hinweise zur Verortung der jeweili­gen Aufsätze.

Völlig unabhängig von der Qualität der einzelnen Beiträge läßt sich jedoch fra­gen, ob ihr heterogenes Insgesamt die Hoffnung auf eine Intensivierung des wissenschaftlichen Diskurses und ein Vorantreiben fruchtbarer Wege für die Praxis einlösen kann. Sollen Vielfalt und Pluralismus nämlich nicht zu einem un­verbundenen und unverbindlichen Ne­beneinander geraten, dann bedarf es für die gewünschte Auseinandersetzung ge­meinsamer theoretischer Bezugspunkte oder zumindest eines metatheoretischen Rahmens. Auf der Suche nach derarti­gen Bedingungen in der Sonderpädago­gik, die Vergleich und Kontroverse erst möglich und sinnvoll werden lassen, könnten vielleicht die in dem Unterkapi­telWissenschaftstheoretische und Wis­senschaftliche Aspekte sonderpädago­gischer Grundfragen zusammengefaßten Beiträge Hinweise und Antworten ge­ben. Das Ergebnis einer solchen Recher­che fällt jedoch nicht zufriedenstellend aus. So wird z.B. aus dem Beitrag von Grissemann überSonderpädagogik in

der allgemeinen Schule* ersichtlich, wie schwer es ist, die Anforderungsprofile sonderpädagogischer Fachleute mit Hil­fe fruchtbarer Theorien einzulösen. Aus den Ausführungen ergibt sich, daß die Auswechslung von Bezeichnungen, die wegen mangelnder theoretischer Fundie­rung leicht zu Moden werden können, noch nicht die vielen theoretischen Überbrückungsprobleme der Sonderpäd­agogik zu lösen vermag. Und der Auf­satz von Widmer überWissenschafts­theoretische Gedankensplitter zur Son­derpädagogik* verdeutlicht, wie schwer sich die Sonderpädagogen einerseits mit theoretischen und metatheoretischen Überlegungen tun und wie dicht sie da­durch andererseits am Rande von Kon­fusion und Zersplitterung denken und operieren. Unter diesen Bedingungen ist es nicht leicht, den im Untertitel des BandesHandlung, Forschung, Wissen­schaft implizit aufgestellten Ansprü­chen gerecht zu werden. Um so höher ist das Verdienst von Herausgebern und Autoren zu veranschlagen, daß sie vor diesem Manko nicht die Augen verschlos­sen haben und dennoch versuchen, die Diskussion und den Erkenntnisstand in der Sonderpädagogik zum Nutzen von Theorie und Praxis voranzutreiben. Prof. Dr. Jörg Schlee

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988