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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

Buchbesprechungen

Rheinberg, F. und Krug, S.: Motivations­förderung im Schulalltag. Konzeption, Realisation und Evaluation. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie, 1993, 186 Seiten.

Ohne Umschweife, ohne Wenn und Aber laßt sich feststellen, daß es sich hier um eine der wichtigsten pädagogisch-psycholo­gischen Neuerscheinungen der letzten Jahre handelt. Ich möchte das insbesondere an vier Gesichtspunkten deutlich machen.

Das Buch handelt von theoriegeleiteter For­schung. Das wird schon bei Sichtung des Inhaltsverzeichnisses deutlich, denn von den drei Hauptabschnitten des Werks ist der er­ste der Sichtung von Theorien und Ergeb­nissen vorgängiger Arbeiten gewidmet. Un­ter der ÜberschriftMotivationspsychologie und Unterricht wird eine vorzügliche Über­sicht über das Problem der Lern- und Lei­stungsmotivation in pädagogisch-psycholo­gischem Kontext gegeben. Darüber hinaus ist aber auch jede der folgenden Untersu­chungen theoriegeleitet, basiert auf den grundlegenden Annahmen der kognitiven Motivationstheorie und gewinnt von hier aus Hypothesen zur empirischen Überprüfung. Das Buch bietet darüber hinaus bislang unveröffentlichte empirische und experimen­telle Forschungen, die thematisch in zwei Gruppen eingeteilt sind. In der ersten Grup­pe von Arbeiten geht es um den Einfluß der Bezugsnorm-Orientierung des Lehrers im Unterricht auf verschiedene motivations- und leistungsrelevante abhängige Variablen. In der zweiten Gruppe von Untersuchungen werden Experimente zur Wirkungsweise ver­schiedener Varianten von Motiv- und Mo­tivationstrainingsprogrammen untersucht. Diese Arbeiten sind durchweg vorzüglich geplant und durchgeführt, weisen die Wirk­samkeit verschiedener Maßnahmen nach und geben schließlich Anregungen zu weiter­führenden vielversprechenden Untersuchun­gen. Erfreulich insbesondere, daß diese Ar­beiten auf derselben theoretischen Grundla­ge stehen. Dadurch wirkt das Buch außeror­dentlich überzeugend in seinem Grund­anliegen.

Das Buch ist insofern auch bemerkenswert, als es repräsentativ für ein angemessenes und modernes Verständnis von Pädagogi­scher Psychologie steht. Was man in älterer

Terminologie angewandte Wissenschaft nannte, wurde allzu leicht mißverstanden als Anwendung vorgängiger Wissenschaft auf praktische Probleme. Wenn heute dage­gen auch von präskriptiver Forschung die Rede ist, wird schon in der Sprache deut­lich, daß es sich hierbei um eigenständige theoretische und empirische Forschung han­delt. Die wissenschaftlich begründete Er­zeugung pädagogischer Handlungsempfeh­lungen ist eben nicht ohne eigene Weiter­entwicklung der Theorie möglich, und sie ist nicht ohne entsprechende experimentelle Forschung vertretbar. Exemplarisch macht das jede Untersuchung des vorliegenden Werkes klar. Schließlich sei noch deutlich herausgestellt, in wie wohltuend klarer, einfacher, unprä­tentiöser Sprache das Buch geschrieben ist. Manche Autoren halten noch immer eine schwer verständliche, terminologisch auf­trumpfende und mit nicht näher ausgeführ­ten Andeutungen auf Ansichten anderer Au­toren gespickte Darstellungsweise für er­strebenswert. So scheint es, als ob manche Autoren sich eines verbalen Imponiergehabes befleißigten, bei dem nur der den Text an­gemessen lesen kann, der ohnedies schon alles kennt, was da steht. Nicht so die Auto­ren dieses Bandes. Sie zeigen eindrucks­voll, daß auch anspruchsvolle Wissenschaft in wirklich einfacher, klarer und doch substanzreicher Sprache gehalten sein kann. Das ist zwar nicht leicht. Doch offenbaren die Autoren des Buchs darin eine hohe Mei­sterschaft.

Prof. Dr. K.J. Klauer, Aachen

Franco Rest: Das kontrollierte Töten. Lebensethik gegen Euthanasie und Eugenik. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 1992. 178 S., 29,80 DM.

Die sogenannte'Euthanasie-Debatte' erstarrt trotz ihrer Relevanz zunehmend in argu­mentativen Stereotypien, Konfrontationen und(Selbst-)Widersprüchen. Zugleich ver­lagert sie sich von Zeitschriftenaufsätzen auf mehr oder minder umfangreiche Mono­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993

graphien, wobei die Unterscheidung zwi­schen der unter dem Anspruch der Ratio­nalität stehenden Suche nach wohlbegrün­deten und verbindlichen Normen und der Artikulation von Betroffenheit häufig schwer fällt.

Den Versuch sowohl der Artikulation von Betroffenheit, als auch der Begründung all­gemeiner Normen hat auch Franco Rest in seinem Buch'Das kontrollierte Töten Lebensethik gegen Euthanasie und Eugenik' unternommen, welches im theologischen Gerd Mohn Verlag erschienen ist. Bereits im'Vorwort' stellt Rest klar, daß seine Aus­führungen dasResultat einer nahezu 20jäh­rigen wissenschaftlichen Bemühung um die Begründbarkeit des Lebens der Sterbenden darstellen(S. 9). Durch die von Singer und Kihse aufgeworfenen Fragen fühle er sich aber dazu'aufgerufen', sichin den Wider­stand einzuklinken, da von solchen Fragen her mein eigenes wissenschaftliches Lebens­werk bedroht wird(ebd.). Rest ist also eingestandenermaßen Partei, wobei sogleich hinzugefügt werden soll, daß Rest bei aller Parteilichkeit kenntnisreich argumentiert. Rest vertritt die Auffassung, daß nicht erst die Begründung möglicher Einschränkun­gen, sonder bereits die Infragestellung des absoluten Tötungsverbotes selbst das Merk­mal von Auffassungen darstellt, die er unter dem Begriff der'Tötungsethik' subsummiert. Die Tötungsethik, zu der Rest neben dem Utilitarismus in seinen verschiedenen Les­arten, der Bio- und der Medizinethik auch die Diskursethik in der von Böhler vertrete­nen Auffassung zählt, wird in dem Buch allerdings weniger unter dem Gesichtspunkt einer Einheit der Problemstellungen oder der Argumentationsfiguren charakterisiert. Sie findet ihr verbindendes Element viel­mehr in der Annahme historischer Konti­mnuitäten, in externen also beispielsweise po­litischen, wirtschaftlichen oder technischen Interessen und in der Intention derjenigen, die immer nur Leidende»von ihren Lei­den« durch Zyankali, Liegenlassen u.a.»er­lösen« möchten(S. 121).

Nach Franco Rest wurde die Tötungsethik ursprünglich in militärischen Zusammenhän­gen entwickelt(S. 55ff.). Inzwischen hat sie sich[...] auch der philosophischen Fakul­täten, der Sonderpädagogik, der Gentech­nologie und der Reproduktionsmedizin

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