Buchbesprechungen
Der Verlag bietet über das Buch hinaus zu einem geringen Preis eine Diskette mit Kopierlizenz für Arbeitsdisketten in Klassenstärke an, die— so die Ankündigung— alle im Buch vorgestellten Programme enthält. Das kann gewiß nicht wörtlich genommen werden, da im Buch auch etliche kommerziell vertriebene Software-Systeme vorgestellt werden. Was aller Wahrscheinlichkeit nach gemeint ist, sind die im Buch abgedruckten BASIC-Programme, so daß der Hinzuerwerb der Diskette immerhin das lästige Abschreiben von Programm-Codes erspart.
Dr. Leutner, Gießen
Wolfgang Sonntag(1991). Induktiv denken lernen.(Empirische Schul- und Unterrichtsforschung, Band 7). Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Sind kognitive Fertigkeiten lernbehinderter Sonderschüler trainierbar? Darüber gibt es zumindest seit den Untersuchungen von Klauer(1969) wohl keine Zweifel. Offen ist allerdings die Frage nach den Trainingsinhalten. Sollen sehr spezifische oder relativ allgemeine Voraussetzungen für intellektuelle Leistungen gezielt gefördert werden? Dies ist das Thema von Sonntags Dissertation. Zwei Konzepte wurden experimentell verglichen. Sie sind aus unterschiedlichen theoretischen Ansätzen abgeleitet worden.
Im ersten Fall basierten die Verfahren auf Klauers(1989) Prozeßtheorie induktiven Denkens. Entsprechend wurden die spezifischen kognitiven Operationen“Gleichheit” und“Verschiedenheit” mit figuralen Aufgaben direkt trainiert und durch abgestufte Selbstverbalisierungen bei der Bearbeitung von Aufgaben internalisiert.
Im zweiten Fall wurden die Verfahren aus der historischen volitionalen Handlungstheorie von Düker(Tent, 1988) abgeleitet. Entsprechend wurde“sorgfältiges und systematisches Arbeiten” als allgemeine Voraussetzung kognitiver Leistungen gefördert und in den Trainingsversionen mit Durchstreich-, Multiplikations- und LOGO-Programmieraufgaben ralisiert.
Die 4-83-stündigen Trainingsverfahren wurden mit verschiedenen Gruppen von Lernbehinderten durchgeführt, deren Vor- und Nachtestleistungen mit Kontrollgruppen verglichen wurden. Zentral ging es um die erzielten Transfereffekte. Ließen sich zum einen nichttriviale Effekte mit verbesserten
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Leistungen bei trainingsfernen Posttestaufgaben erreichen? Und wurden zum anderen positive Wirkungen auch längerfristig aufrechterhalten? Hypothetisch wurde angenommen, daß die beiden verglichenen Trainingskonzeptionen zu differentiellen Wirkungen führen. Von der Förderung induktiver Denkoperationen nach Klauer wurden vor allem deutliche positive Effekte auf vergleichbare Intelligenztestleistungen erwartet und schwächere Wirkungen auf Schulleistungen in Form von Rechenaufgaben im Nachtest. Vom Training sorgfältigen und systematischen Arbeitens nach Düker wurden dagegen umgekehrte Effekte erwartet: Geringere Verbesserungen bei Intelligenztestaufgaben und stärkere bei Schulleistungen.
Sonntags statistisch gut abgesicherte Ergebnisse bestätigen diese Hypothese über die differentielle Wirkung der Trainingsverfahren. Allerdings ist dies nur auf den ersten Blick zutreffend. Denn insgesamt betrachtet lassen die Resultate nur einen Schluß zu: Jede Trainingsversion führte zu ausschließlich spezifischen Effekten. Das Training kognitiver Operationen verbesserte entsprechende Intelligenztestleistungen; das Arbeitstraining mit Multiplikationsaufgaben dagegen entsprechende Rechenleistungen im Nachtest.
Die geringeren Effekte des Arbeitstrainings mit Programmier- und Konzentrationsaufgaben gehen darauf zurück, daß zwar im Training, nicht aber im Nachtest entsprechende Programmier- und Konzentrationsaufgaben verwendet worden sind. Die spezifischen Wirkungen dieser Trainingsformen wurden in der Arbeit also nicht überprüft. Rückschlüsse auf die insgesamt ungeklärte Frage der Effekte des LOGO-Lemens sind daher auf der Basis dieser Ergebnisse nicht möglich!
Das Problem, Klauers Trainingskonzept zu erweitern, zu ergänzen oder Alternativen dazu zu entwickeln, bleibt demnach als Herausforderung bestehen. Sonntags Untersuchungen können aber als erster Schritt zur Aufnahme zusätzlicher Aspekte bei der notwendigen kognitiven Förderung von Lernbehinderten aufgefaßt werden. Handlungstheoretische Konzeptionen sind dazu zweifellos geeignet(Dulisch 1986). Allerdings finden sich neuere Weiterentwicklungen in Form von Selbststeuerungstheorien des Lernens (z.B. Zimmerman& Schunk 1989), in denen einzelne Komponenten zur Selbstkontrolle des Leistungsverhaltens und der Nutzung kognitiver Operationen herausgearbeitet worden sind. Ein gezielteres und theoretisch besser abgesichertes Training von Voraus
setzungen für das von Düker so bezeichnete “freie” Arbeiten läßt sich daraus ableiten.
Dulisch, F.(1986). Lernen als Form menschlichen Handelns. Eine handlungstheoretisch orientierte Analyse von Lernprozessen unter besonderer Berücksichtigung des Selbststeuerungsaspektes. Bergisch-Gladbach: Thomas Hobein.
Klauer, K.J.(1969). Lernen und Intelligenz: Der Einfluß von Trainingsmethoden auf die Intelligenztestleistungen schwachbegabter Kinder. Weinheim: Beltz.
Klauer, K.J.(1989). Denktraining für Kinder I. Ein Programm zur intellektuellen Förderung. Göttingen: Hogrefe.
Tent, L.(1988). Heinrich Dükers Handlungstheorie. Berichte aus dem Fachbereich Psychologie der Universität Marburg, Nr. 93.
Zimmermann, B.J.& Schunk, D.H., Eds.(1989). Self-regulated leaming and academic achievement. Theory, research, and practice. New York: Springer.
Anschrift: Dr. Heinz Neber, Institut fürEmpirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, Universität München, Leopoldstr. 13, 8000 München 40.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1992