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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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3. Unentschiedenes Wechseln zwischen inklusiven und exklusiven Sortier­strategien im schwierigsten Untertest II, insbesondere bei der dritten Trai­ningsaufgabe(Item 3.3). Lernschwa­che Kinder zeigten hier auch reines Rateverhalten.

Bei den drei angeführten Items(1.1, 2.1

und 3.3) waren die Schwankungen im

Testverhalten der Kinder offensichtlich

so stark, daß sich mit den übrigen Aufga­

ben des jeweiligen Untertests nur gerin­gere Ähnlichkeit ergab. Sowohl in der

Clusteranalyse als auch in der multidi­

mensionalen Skalierung zeigen diese

Items abweichende Eigenschaften.

Diskussion

Der Leipziger Lerntest DP-BAK zielt darauf ab, Auffälligkeiten des kognitiven Lernens bei Kindern im ersten Schuljahr zu erfassen. Von den Kindern wird be­griffliches Klassifizieren gefordert, wo­bei abgestuft und gezielt Hilfen angebo­ten werden. Insbesondere bei leistungs­schwachen Kindern kann so ihr Lern­potential genauer eingeschätzt werden. Über die Ergebnisse der Untersuchungen zur differentiellen Validität des Tests sowie seiner Kriteriumsvalidität im Ver­gleich mit Statutstests zur Bestimmung der sprachlichen und kognitiven Entwick­lung werden wir gesondert berichten.

In dieser Arbeit haben wir den Aufbau des Lerntests vorgestellt und seine Konstruktionseigenschaften empirisch untersucht. Dazu wurden die Tester­gebnisse von 115 Kindern aus einer Gesamtgruppe von 153 ausgewählt und analysiert. Die restlichen 38 Kinder, mehr als die Hälfte aller untersuchten Regel­schüler sowie einige Kinder der Sprach­heilschule, hatten mit den Anforderun­gen des Tests keine oder nur minimale Schwierigkeiten. Durchgängig deutliche Schwierigkeiten hatten erwartungsgemäß die Schüler der Lernbehindertenschule. Durch verschiedene statistische Verfah­ren(Analyse von Unterschieden im Lei­stungsniveau, Clusteranalyse, multidi­mensionale Skalierung) konnte die Glie­derung in Untertests mit steigender Komplexität der Klassifikationsanfor­

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Jürgen Guthke, Petra Wolschke, Klaus Willmes& Walter Huber* Leipziger Lerntest

derung größtenteils gestützt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Unter­scheidung zwischen Trainings- und Kon­trollaufgaben, in denen die Kinder das Erlernte selbständig anwenden sollten. Im Unterschied zu Statustests enthält das Verfahren ein fein abgestuftes Hilfen­system. Um Hilfenstufen mit nur gerin­ger Auftretenshäufigkeit außer Acht zu lassen, haben wir für die Bewertung der Lernleistung eine Reduktion von 6 auf 4 Stufen vorgenommen. Dieses reduzierte, 4-stufige Hilfensystem hielt der empiri­schen Überprüfung gut stand. Durch Par­tial Credit Analyse konnte für die Trai­ningsaufgaben deutlich gemacht werden, daß die abgestuften Hilfen hinreichend gut auf einer latenten Fähigkeitsdimen­sion abgebildet werden können. Bei den Kontrollaufgaben war dies hingegen nicht durchgängig der Fall. Diese bereiteten für die Mehrzahl der Kinder keine oder nur geringe Schwierigkeiten. Lediglich im schwierigsten dritten Untertest zeigte sich eine vollständige Abstufung der Hilfen hinsichtlich der latenten Fähig­keitsdimension. Dennoch waren auch die Kontrollaufgaben ebenso wie die Trai­ningsaufgaben insgesamt mit dem Mo­dell vereinbar.

Bei der weiteren Analyse des Tests ist zu klären, inwieweit sich die Lernprofile der Kinder mit geringen von denen mit starken Schwierigkeiten in den Kon­trollaufgaben trennen lassen. Es ist zu fragen, inwieweit Unterschiede in der Fähigkeit, Klassifikationsaufgaben zu erlernen, in Zusammenhang mit dem Schultyp stehen und ob bestimmte anam­nestische oder psychosoziale Merkmale speziell die Kinder charakterisieren, die herausragende Schwierigkeiten haben. Bei DP-BAK handelt es sich um einen Kurzlerntest; die Durchführungszeit reicht von 10 Minuten bei gut durch­schnittlichen Regelschülern bis 45 Mi­nuten bei Sonderschülern mit starker Lernauffälligkeit. Der Test umfaßt insge­samt nur 15 Items, wobei jeweils bei falscher Lösung bis zu fünf Hilfen ange­boten werden. Gemessen an der geringen Itemzahl konnte eine ausreichende Gesamtkonsistenz(alpha-Koeffizient von 736) ermittelt werden.

Die einzelnen Aufgaben des DP-BAK

Training

Abb. 6: Konstruktionseigenschaften von DP­BAK: erwartete Radexstruktur

erfordern durchgängig und einheitlich Klassifikations- und Sortierleistungen nach geometrischen Kriterien(Form, Größe sowie deren Kombination). Wie bei jeder Problemlöseaufgabe ist jedoch nicht auszuschließen, daß einzelne Pro­banden von Aufgabe zu Aufgabe wech­selnde Lösungsstrategien wählen und daß diese durch den Testablauf bestimmt sind. Wir beobachteten dies bei drei der neun Trainingsaufgaben. Solche wechselnden Lösungsstrategien führen besonders bei geringer Itemzahl notwendigerweise zu eingeschränkter Homogenität des Test­verfahrens. Die Überprüfung der Konstruktionseigen­schaften erbrachte, daß vor allem zwei Facetten(Levy 1981; Willmes et al. 1983) des Testaufbaus das Lernverhalten der Kinder bestimmten: 1. das über die Untertests variierte geo­metrische Sortierkriterium, 2. der Kontrast zwischen Trainings- und Kontrollaufgaben. Diese beiden Facetten des Testaufbaus bildeten sich in der Smallest Space Ana­lyse annähernd als Radexstruktur ab(vgl. Abb. 6 mit Abb. 4). Die Untertests grup­pierten sich als drei Sektoren eines Krei­ses und der Kontrast von Kontroll- zu Trainingsaufgaben als konzentrisch ein­gebetteter Kreis. In Abbildung 6 ist die theoretisch erwartete Radexstruktur ab­gebildet. In der Radexstruktur werden die Unterschiede in den Untertests sowie die Gemeinsamkeiten der Trainingsauf­gaben gegenüber den sechs Kontrollauf­gaben deutlich.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1992