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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

BE

bellarischen Zusammenschau. Diese nach einheitlichen Kriterien konzipierte und mit sehr detaillierten Angaben versehene Über­sicht kann als ein Ansatz zu einer Integration der verschiedenen theoretischen Konzepte gewertet werden, wobei dennoch die Unter­schiede deutlich hervortreten. Die Systematik und Einheitlichkeit setzt sich im zweiten Teil des Buches fort. Entspre­chend den Erklärungsansätzen im ersten Teil werden die verschiedenen Handlungsmög­lichkeiten in einzelne Schritte unterteilt: (1) deskriptive und erklärende Diagnostik, (2) die auf die jeweilige Theorie bezogenen allgemeinen Leitlinien der Intervention, (3) die Konkretisierung der pädagogisch­therapeutischen Arbeit anhand wichtiger Prin­zipien und kurzer Beschreibung von Standard­methoden sowie (4) praktische Beispiele durch Ausschnitte aus Falldarstellungen und Verlaufsstudien. Auch hier erleichtern umfangreiche tabella­rische Übersichten das Einordnen der ver­schiedenen Einzelaspekte und Maßnahmen in einen größeren Bezugsrahmen. Das Buch von Hansen und Seitz überzeugt durch eine sehr systematische Aufarbeitung eines bedeutenden und komplexen Sachver­halts. Es stellt nicht nur eine fundierte Ein­führung und ein hilfreiches Kompendium dar, sondern liefert durch die Zusammen­schau unterschiedlicher Erklärungsansätze und Behandlungsmöglichkeiten wichtige An­stöße für Theorie und Praxis hinsichtlich des Umgangs mit Verhaltensstörungen im Kin­des- und Jugendalter.

Dieter Dumke, Bonn

Hedderich, I.: Schulische Situation und kommunikative Förderung Schwerstkör­perbehinderter. Regionale Totalerfassung und kritische Situationsanalyse aufgrund empirischer Erhebungen bei Kindern und Jugendlichen mit schwersten cerebralen Be­wegungsstörungen und Dys- oder Anarthrie. Berlin: Edition Marhold im Wissenschafts­verlag Volker Spiess. 1991. 268 S., DM 68,

Die vorgestellte Studie entstand im Kontext eines Projektes der Forschungsgemeinschaft Das körperbehinderte Kind e.V. zurFör­derung schwerstcerebralparetischer Kinder und Jugendlicher.

Die Autorin widmet sich der Gruppe schwerst­behinderter Kinder(schwere cerebrale Bewe­

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gungsstörungen bei gleichzeitiger schwerer Dys- oder Anarthrie), die nach ihrer Hoch­rechnung 20% der Schüler von körperbehin­derten Schulen darstellen. Mit Hilfe von Befragungen und Aktenauswertungen wurde im Rahmen der Dissertation der Autorin eine beeindruckende Menge an Befunden(n= 471) zusammengetragen. Dabei stehen zu­nächst quantitative Beschreibungen der Si­tuation der Schüler im Vordergrund. Diffe­renzierter werden die kommunikativen Mög­lichkeiten der Schüler betrachtet und in ihrer Auswirkung hinterfragt. Drei Ergebnisse fordern nach meiner Auffas­sung besonders zum Nachdenken auf: Zum einen erhielten zum Zeitpunkt der Studie 40 der erfaßten Kinder keinen Unterricht(12 mit ruhender Schulpflicht, 28 nicht beschulte Behinderte) und signifikant weniger Förde­rung in den Bereichen Sprachverständnis und Ausdrucksfähigkeit. Zum anderen wurden Kinder ohne Sprachverständnis am wenig­sten in den Bereichen Motorik, Sprachver­ständnis und Ausdrucksfähigkeit gefördert. In den geführten Gesprächen mit Bezugs­personen wurde deutlich, daß deren Auffas­sung über den Sinn der Fördermaßnahmen und deren Einschätzung des Sprachver­ständnisses des Schülers in bedeutsamer Weise über die Arbeit mit den Schülern ent­scheiden. Die Autorin leitet aus den Daten Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Schüler ab. Eine Vielzahl von Aspekten(schulorga­nisatorische, Ausbildung der Studenten) wird zusammengestellt. Leider geschieht dies eher oberflächlich. Gleiches gilt m.E. auch für den theoretischen Teil der Arbeit. Die Gliede­rung verspricht eine differenzierte Darstel­lung medizinischer, psychologischer, päd­agogischer Aspekte, die leider nicht durch­gehalten wird. Eine Auflistung möglicher Förderkonzepte befriedigt wenig, wenn kei­ne kritische Reflexion über z.B. deren Wir­kungsmöglichkeiten stattfindet. Die Befunde der Studie sollten unbedingt in die Ausbildung von Sonderpädagogen einge­hen und zur weiteren Forschung herausfor­dern. Dr. Gabriele Ricken, Humboldt Universität Berlin

Heidtmann, Hildegard: Neue Wege der Sprachdiagnostik. Berlin: Edition Marhold im Wissenschaftsverlag Volker Spiess. 2. Aufl. 1990. DM 29,80

Vorbemerkungen. Endlich so wird der mit sprachentwicklungsauffälligen Kindern ar­beitende Diagnostiker und Therapeut froh­locken sindneue Wege der Sprachdia­gnostik gefunden, wie Hildegard Heidtmann im Titel ihres Buches postuliert. Die Verbes­serung oder Veränderung(ein neuer Weg) der Diagnostik im Bereich der Sprachent­wicklung, insbesondere der gestörten Ent­wicklung ist seit langem erwünscht und wird gerade von vielen in der Praxis stehenden Pädagogen, Logopäden, Psychologen, Med­zinern von der Forschung erwartet. Der Stand der Diagnostik des gestörten Sprach­erwerbs ist nämlich alles andere als zufrie­denstellend. Dies gilt im besonderen für die Altersbereiche, in denen Frühfördermaß­nahmen ergriffen werden könnten; hier feh­len meines Wissens überhaupt geeignete Diagnoseinstrumente, meist werden infor­melle,handgestrickte Diagnostika ange­wendet. In den gebräuchlichsten Sprachent­wicklungstests werden zwar Normen ab dem 4. Lebensjahr angegeben, die Differenzie­rungsfähigkeit ist jedoch bei den Testver­fahren. in den unteren Altersbereichen für einen Einsatz im gestörten Spracherwerb nicht ausreichend.

Selbstverständlich kann der Stand der Dia­gnostik nicht weiter fortgeschritten sein als der Stand der Theoriebildung. Und hier scheint eine Ursache für den als eher mangelhaft zu kennzeichnenden Stand der Diagnostik und Differentialdiagnostik bei Spracherwerbs­störungen zu liegen: Die Theoriebildung in diesem Bereich befindet sich noch nicht auf einem solchen Niveau, das die Ableitung theoretisch fundierter diagnostischer Ver­fahren ermöglichen könnte.

Die Relevanz einer Weiter- oder Neuent­wicklung der Sprachstandsdiagnostik ist unbestritten und kann nur unterstrichen wer­den; neue Wege sind daher sehr zu begrüßen. Es muß aber auch geprüft werden, inwiefern sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen können. Nun also zu den propagierten neuen Wegen, wie sie Hildegard Heidtmann vor­schlägt.

Die Autorin ersucht zunächst einmal, stan­dardisierte Tests zu einer Sprachstands­diagnostik in Frage zu stellen. Dazu werden drei Sprachentwicklungstests(Psycholingu­istischer Entwicklungstest PET von Anger­maier, 1974; Landauer Sprachentwicklungs­test für Vorschulkinder LSV von Götte, 1976;

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL, Heft 4, 1992