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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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das praktische Ziel jeweiliger Fortbil­dung sein soll.

Aus diesen Erfahrungen ist in West-Berlin ein Fortbildungskonzept für integra­tionspädagogische Arbeit in der Schule entstanden, das nun allen Schulen zur Verfügung steht.

8. Finanzielle und organisatorische Bedingungen integrativer Schulen

Aufgabe der Wissenschaftlichen Beglei­tung war es nicht zuletzt, vor dem Hin­tergrund der systematisch gewonnenen Erfahrungen der auftraggebenden Senats­verwaltung für Schulwesen Empfehlun­gen für die Beibehaltung oder Modifika­tion der Rahmenbedingungen zu ma­chen. Diese Empfehlungen entstanden aufgrund zahlreicher Einzelbeobachtun­gen in den Klassen, aber auch aufgrund vieler Gespräche mit Lehrern, der Schul­leitung, der bezirklichen Schulaufsicht und mit Eltern.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das ‚Normalitätskonzept rund 10% Kinder pro Klasse mit zusätzlichem För­derbedarf aufzunehmen sich als opti­male Variante erwies, vor allem, weil da­durch der Sonderpädagogenanteil fest in den alltäglichen Wochenablauf integriert ist. Andererseits stellten wir fest, daß die rechnerische Festlegung von je 4 Stun­den sonderpädagogische Förderung pro Gutachtenkind real nicht immer so ein­gesetzt werden muß und soll gelegent­lich war ein höherer, aber auch ein ge­

Literatur

ringerer Aufwand nötig, zumal die Tätig­keit der Sonderpädagogen auch andere Kinder einbezog. Bleibt man flächen­deckend beim 10%-Ansatz, kann der 4-Stunden-Ansatz verringert werden; re­duziert man diesen Anteil flächendek­kend, dann wird er beibehalten werden müssen.(Inzwischen ist in Berlin das Faktorenmodell in Planung, das von festgelegten rechnerischen Anteilen pro Behinderungsart ausgeht, unabhängig vom Lernort.)

Rechnerisch war nicht die sonderpäd­agogische Förderung der entscheidende Kostenfaktor(ein Sonderpädagoge pro sechs Gutachtenkinder entspricht im Sonderschulsystem einem ähnlichen Auf­wand), sondern die Frequenzsenkung bei Beibehaltung der Teilungsstunden. Als optimal auch nach Einschätzung der Lehrer hat sich eine Klassengröße von 20 erwiesen; Unterschreitungen führten fast immer zu pädagogischen und orga­nisatorischen Problemen und verbesser­ten die Lernsituation nicht. Eine Klas­sengröße von 20 sollte für alle Grund­schulklassen angestrebt werden. Dann würde dieser gegenwärtige Aspekt zu­sätzlicher Integrationskosten als allge­meine Grundschulreformmaßnahme er­kannt werden. Integration ist finanzier­bar allerdings auch nicht kostenspa­rend.

9. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung

Die wichtigsten Ergebnisse der Wissen­schaftlichen Begleitung wohnortnaher

Integration lassen sich in sechs Punkten zusammenfassen:

1. Die Zustimmung zur gemeinsamen Erziehung ist unter den Eltern außer­ordentlich groß und umfaßt alle sozialen Gruppen.

2. Die soziale und leistungsmäßige Ent­wicklung der ‚behinderten Kinder war im Laufe der sechsjährigen Grundschule positiv. Soziale Integration und Lei­stungsförderung werden erreicht.

3. Die sozialen und kognitiven Wirkun­gen auf die sogenannte nichtbehinderten Schülerinnen und Schüler sind ebenfalls positiv. Negative Auswirkungen der ge­meinsamen Erziehung konnten nicht festgestellt werden.

4. Das Konzept, alle Lehrerinnen und Lehrer und alle Klassen einer Schule einzubeziehen, läßt sich, bei entspre­chender regelmäßiger schulinterner Fort­bildung, verwirklichen.

5. Gemeinsame Erziehung in einer wohn­ortnahen Grundschule ist finanziell reali­sierbar. Die finanziellen zusätzlichen Aufwendungen kommen allen Schülern zugute. Sie müssen im übrigen zu den entfallenden Kosten im Sonderschul­system und beim öffentlich finanzierten Behindertentransport in Beziehung ge­setzt werden.

6. Gemeinsame Erziehung bewirkt in der Praxis eine Intensivierung der allgemeinen pädagogischen Arbeit in der Schule.

Die Forschungsergebnisse stehen in gro­ßer Übereinstimmung mit den bisher be­kannt gewordenen Studien aus anderen bundesdeutschen Integrationsschulen, die nach ähnlichen pädagogischen Kon­zepten arbeiten.

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991 S9