Buchbesprechungen
Suche nach einem adäquaten Therapieansatz und das Musiktherapie-Angebot. Teil 3(Der Pränatalraum) erörtert folgende Unterthemen: Pränatale Psychologie: Wichtige Impulse für die Musiktherapie— Das Setting; damit ist der Pränatalraum gemeint, in dem neben der auditiven auch die sensorische und die vibratorische Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielen, und der eine„behagliche, warme Atmosphäre‘‘ vermitteln soll. Durch ein Wasserbett und geeignete Licht- bzw. Temperaturverhältnisse sollen die Bedingungen vorgeburtlicher Erfahrung und Prägung geschaffen werden(Atmosphäre der Geborgenheit und des Wohlbefindens)— Praktische Anwendungsmöglichkeiten(Anamnesebogen und Musiktherapie-Beobachtungsskala)— Die Therapiephasen(Urerfahrungen, Stimulation des vestibulären und des auditiv-vibratorischen Systems, Sensibilisierung des Hörens,„Sanfte Hände‘“‘, „Musikalisches Streicheln‘‘, Musizier- und Improvisationsformen— Dynamische Prozesse im Pränatalraum— Zwei Fallbeispiele aus dem Pränatalraum. Am Schluß des Buches finden sich ein Literatur- und ein Sachverzeichnis. U.E. fügt das Buch zu den bisherigen wissenschaftlichen Aspekten über Sinn und Anwendungen der Musiktherapie eine völlig neue und ungewöhnliche Sichtweise hinzu.
Prof. Dr. Richard G.E. Müller, Glinde
William H. Gaddes: Lernstörungen und Hirnfunktionen. Eine neuropsychologische Betrachtung. Springer Verlag Berlin, 1991, S3 Abbildungen, 30 Tabellen, XXXIII und 590 Seiten, gebunden, DM 148,—
Das vorliegende Buch ist kein Lehrbuch im strengen Sinne, obwohl es lehrbuchartig aufgebaut ist und entsprechend informiert. Es verzichtet aber gänzlich auf Fachsprachen und erklärt ausführlich
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und verständlich, wovon die Rede ist. Ungewohnt und unerwartet für viele Leser im heilpädagogischen Bereich wird der selbstkritische Ton sein, der das Werk durchzieht: So findet man eingangs eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem medizinischen Modell und stößt immer wieder auf Warnungen wie etwa die, man möge bei Störungen und Schwierigkeiten nicht vorschnell auf einen klinischen Befund schließen. Ebenso vorsichtig sind die pädagogischen Empfehlungen wie etwa zur Frage der Umerziehung eines linkshändig schreibenden Kindes. Neben grundlegenden Informationen zur Neurologie und Neuropsychologie bietet das Werk umfangreiche und detailliert informierende Kapitel über Lernstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Motorik, Händigkeit und Lateralität, über Sprachstörungen sowie über Teilleistungsstörungen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Ein Serviceteil mit einem Überblick über neuropsychologische Tests, einem ausführlichen Glossar und den üblichen Verzeichnissen beschließt das Werk. Wegen seiner guten Lesbarkeit ist es auch Studierenden des_sonderpädagogischen Lehramts zugänglich, denen es in der Tat auch empfohlen werden kann.
Prof. Dr. K.J. Klauer, Aachen
Wolter, M.(1991): Frank. Umwege ins Leben. Protokolle. 4. erweiterte Auflage. Mit einem Nachwort von U. Bleidick. Berlin: Morgenbuch Verlag. 196 Seiten.
Das Buch stellt eine fragmentarisch-biographische Niederschrift von Protokollen dar, die sich alle um den durch eine Spastik behinderten Frank drehen. In mehr als einem Dutzend Protokollen werden psychische, soziale und auch moralische Schwierigkeiten zum Gegenstand ausführlicher Äußerungen, die mit dieser zerebralen Bewegungsstörung in
engem Zusammenhang stehen. Die meisten der Protokolle stammen von der Hauptperson selbst. Weitere sind aus der Sicht der Mutter von Frank, seiner verschiedenen Väter, seines Bruders, seines Freundes, seiner Lehrerin etc. angefertigt worden, von Personen also, die in direktem Erfahrungsaustausch mit ihm stehen bzw. standen. Die langen Monologe der zu Wort kommenden Personen sind von ausgesprochen assoziativem Charakter. Sie sind also inhaltlich kaum strukturiert und darüber hinaus— bis auf die letzten Protokolle— durchgehend in einer Trivialsprache und Tonlage abgefaßt, die auf eine besondere Nähe der Hauptperson zum Leser abzielen:„Warn schon welche(Frauen, C.A.), die mir gefallen haben. Leider alle verheiratet. Bei der Abschlußfeier habe ich aber doch zugeschlagen. Piekfein hatte ich mich gemacht: Samthose und Cordhemd und oben son Tuch drin. Total aufgemotzt....‘“(S. 78), oder„,Hat er(der Vater von Frank C.A.) sich nen Kopp gemacht und mich präpariert, damit der Frank nicht vor den Kopf gestoßen wird. Der vorige hat sich nur über sich nen Kopp gemacht, vielleicht noch über Mutti, aber bescheiden, bescheiden....‘“(S. 107) ete. etc. Die einen werden das schätzen, die anderen nicht. Auch die Tatsache, daß die Protokolle sich im wesentlichen auf ein und derselben Reflexionsebene abspielen, kaum aufeinander Bezug nehmen und wie eben schon angedeutet von unvermittelten und fortwährenden Themenwechseln gekennzeichnet sind, mag verschiedenen Lesern als Ausdruck lebendiger Spontaneität vor einem einheitlichen Erlebenshintergrund in einem durchaus positiven Licht erscheinen; der Umstand einer vierten Auflage scheint dafür zu sprechen. Leser mit einer anderen Erwartungsstruktur werden dagegen die Lektüre trotz eines sachbezogenen Interesses irgendwann abbrechen. Ein Buch also, an dem sich manche Geister scheiden könnten.
Prof. Dr. Anstötz, Dortmund
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991