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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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bereich, der sich aus der Festsetzung des Alpha-Fehlers(hier: p< ‚05) ergibt, für den Anteil der als Könner bzw. Nicht­könner klassifizierten Vpn entscheidend, sondern auch das den beobachteten Wert umgebende Vertrauensintervall. Geht die Leistung einer Vp über den Zufallsbe­reich hinaus, ist die Vp als Könner ein­zustufen. Für die gruppierten Positiv­Items(5 Items pro Gruppe) ergibt sich nach diesem Modell, daß Vpn mit einem Punktwert von 02 als Nichtkönner und von 35 als Könner eingestuft werden können. Das Modell ist so angelegt, daß es eher einen Nichtkönner als einen Kön­ner bezeichnet(Beta-Fehler größer als Alpha-Fehler) als umgekehrt. Tabelle 4 zeigt deutlich, daß nur die Anfangsvo­kale die für ein Screeningverfahren ange­messene Verteilung erzeugen können. Laut-zu-Wort-Variante 2. Es gab 6,5% Abbrecher, was sich in einem akzeptab­len Rahmen bewegt. Es trat wiederum kein signifikanter Geschlechtereffekt bei den Richtiglösungen auf(T=-0,96). Der Unterschied zwischen den Aufgabenva­rianten mit Bild vs. ohne Bild(N= 29, T= 0,08) ist nicht signifikant.

Der Unterschied zwischen Positiv-Items (M= 7,52, s=2,78) und Negativ-Items (M= 8,45; s= 2,13) ist signifikant(T= -2,01, p< ‚05). Verglichen über die Po­sitiv-Items ist der Unterschied zwischen den silbisch trennbaren langen Vokalen (M=4,16, s=1,32) und den silbisch nicht trennbaren, langen und kurzen Vokalen(M= 3,36, s=1,68; T= 5,05, p<,01) auch signifikant. Die Berech­nung nach dem Ein-Fehler-Modell von Klauer ergibt getrennt nach den Vokal­gruppen für die silbisch trennbaren Vo­kale eine Rate von 86,21%, für die sil­bisch nicht trennbaren Vokale eine Rate von 70,69% Könnern.

Diskussion

Deutsche Vorschulkinder sind bis auf wenige Ausnahmen nicht in der Lage, dieKernaufgabe* der phonologischen Bewußtheit, das Segmentieren von Wör­tern in Phoneme, vorzunehmen, wenn sie keine Gelegenheit zum Lernen in der Untersuchung bekommen. Die Aufgabe,

Gerd Mannhaupt& Heiner Jansen- Phonologische Bewußtheit

Tabelle 4: Absoluter(prozentualer) Anteil der Vpn, die nach dem Ein-Fehler-Modell(Klauer 1987) für p<,05 als Könner eingestuft werden sowie absoluter(prozentualer) Anteil der Vpn,

die alle 5 Items richtig gelöst haben.

Anfang Ein-Fehler-Modell: Vokale Anzahl(%) 45(86,54) Konsonanten Anzahl(%) 232(61,54) Alle S Items gelöst: Vokale Anzahl(%) 20(38,46) Konsonanten Anzahl(%) 11:(21,15)

Wörter in Silben zu segmentieren, be­herrschen Vorschulkinder in solch einem Maße, daß sich eine breite Verteilung über den gesamten Punktbereich ergibt. Beide Ergebnisse decken sich mit den oben referierten Befundmustern, daß Kinder im Vorschulalter zwar in der Lage sein können, die Fertigkeit, Wör­ter in Phoneme zu segmentieren, zu er­lernen, daß sie diese bis zu diesem Zeit­punkt in der Regel jedoch nicht ausge­bildet haben.

Da die explizite Analyse von Phonemen nur rudimentär gelingt, ist es interessant, die Aufgabe zu betrachten, bei der das zu analysierende Element vorgegeben wird. Die Laut-zu-Wort-Aufgabe bietet sowohl einen abstrakten Laut als auch ein Wort an, das diesen Laut enthält. Für die Variante 1 der Laut-zu-Wort­Aufgabe wird deutlich, daß Vorschul­kinder eher Phoneme in der Anfangs­position und hier wiederum eher die Vokale erkennen können als die Pho­neme in mittlerer oder Endposition. Dies entspricht den für die Isolierungs­aufgabe gefundenen Effekten von Skjel­ford(1976). Die Betrachtung auf Ver­suchspersonenebene nach dem Ein-Feh­ler-Modell von Klauer(1987) bestätigt diesen Eindruck.

Die Variante 2 der Laut-zu-Wort-Aufga­be zeigt, daß die silbisch trennbaren Vo­kale eher erkannt werden. In dieser Po­sition weisen sie Silbencharakter auf und werden dadurch vielleicht eher für Vor­schulkinder analysierbar als innerhalb einer Silbe. Ob die Analyse von den Kin­dern überhaupt in der Art einer Silbenseg­mentierung vorgenommen wird, müßte

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 1, 1989

Mitte Ende 20(38,46) 25(48,08) 21(40,39) 22(42,31)

8(15,39) 8(15,39) 4( 7,69) 8(15,39)

mit differenzierteren Studien, die Schlüs­se über die Art des Handlungsvollzuges zulassen, untersucht werden.

Für die Konstruktion eines Screening­instrumentes zur Erfassung von Leistun­gen zur phonologischen Bewußtheit im Vorschulalter erweisen sich die Aufgaben Silben Segmentierung und Laut-zu-Wort­Zuordnung, wenn nur lange Anfangsvo­kale benutzt werden, als sinnvoll. Damit muß sich ein Screening-Instrument vor­wiegend auf Aufgaben zur phonologi­schen Bewußtheit im weiteren Sinne be­schränken.

Diese Leistungen sind jedoch weiter vom eigentlichen Schriftspracherwerb ent­fernt als die Aufgaben der phonologi­schen Bewußtheit im engeren Sinne, die anscheinend zum Leistungsrepertoire der Vorschulkinder im anglo-amerikanischen Sprachraum gehören und sehr wahr­scheinlich durch erste Erfahrungen mit der Schrift in den Kindergärten erklär­bar ist(Wagner& Torgesen 1987). Ob unter diesen Gegebenheiten der Prädik­tionswert, wie in den ausländischen Stu­dien nachgewiesen, von Aufgaben zur phonologischen Bewußtheit für den Schriftspracherwerb weiterhin so hoch angesetzt werden kann, müssen weitere Längsschnittstudien(z.B. Skowronek& Marx in diesem Band) zeigen.

Anmerkung. Diese Studien wurden im Rah­men des Teilprojektes AlFrüherkennung und Prävention bei Risiken der Lese-Recht­schreibschwäche des Sonderforschungsbe­reiches 227Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter der Deutschen For­schungsgemeinschaft durchgeführt.

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