Editorial
Spätestens seit 1973, dem Erscheinungsjahr der Bildungsratsempfehlung„Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher“, wird das Thema Integration in allen Fachpublikationen verstärkt diskutiert.
Dem gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher widmete die Heilpädagogische Forschung 1991 ein eigenes Themenheft mit dem Titel„Integration und empirische Forschung“(Heft 1/1991). Der damalige Gastherausgeber HansPeter Langfeldt wies besonders auf die hohe Bedeutung empirischer Evaluationsforschung bezüglich des gemeinsamen Unterrichts hin. Das vorliegende Themenheft„Integrationspädagogische Forschung“ ist ein Beitrag zur Dokumentation der Arbeiten, die während des 9. Jahrestreffens der Integrationsforscherinnen und-forscher im Februar 1994 an der Universität Dortmund vorgestellt wurden. Die Beiträge widmen sich schwerpunktmäßig der Frage der Verbesserung integrativer Praxis, hierbei propagieren einige Beiträge keine hochgradig kontrollierte empirische Forschung, sondern können als empirisch im weitesten Sinne bezeichnet werden.
Integrationspädagogische Forschung bewegt sich in den letzten Jahren immer stärker in einem interdisziplinären Forschungsfeld, das Sonderpädagogik und Allgemeine Pädagogik, Psychologie und Soziologie und neuerdings auch Sozialpädagogik umfaßt. Ihre Interdiszipli
narität und die sich daraus ergebende Komplexität des Forschungsfeldes bedingen die Notwendigkeit kontinuierlichen Austausches.
Ursprüngliches Anliegen integrativer Pädagogik war die Integration behinderter Menschen in das allgemeine Schulwesen. Diese Intention ist keineswegs aus dem Blick geraten, jedoch zunehmend eingebunden in übergreifende Fragestellungen einer ‚Pädagogik der Gemeinsamkeit in Verschiedenheit‘. Thematischer Schwerpunkt integrativer Forschung ist dabei zunächst die Weiterentwicklung schulischer Integration. Ihre sich daraus ergebende Schulkritik geht davon aus, daß die demokratische Gesellschaft aufgrund der heutigen gesamtgesellschaftlichen Situation einen langfristigen Bedarf nach einer veränderten Schule hat, der in Theorie und Praxis ausgewiesen wird; interessant sind hierbei Überlegungen, die sowohl innere als auch äußere Schulreform miteinander zu verbinden suchen.
Ein wichtiges Forum zur Weiterentwicklung des integrationspädagogischen Aufgabenfeldes einer Pädagogik der Gemeinsamkeit in Verschiedenheit ist das seit mittlerweile 10 Jahren stattfindende Jahrestreffen der wissenschaftlichen Begleitungen von Projekten zur gemeinsamen Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher. Ging es anfänglich vorrangig um die Erörterung forschungsmethodischer Aspekte innerhalb von Projekten wissenschaftlicher Begleitforschung in der Bundesrepublik, so hat dieser Arbeits
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 1, 1995
kreis eine inhaltliche Ausweitung erfahren. Hier sind hervorzuheben:
® bildungspolitische Stellung- und Einflußnahme in den einzelnen Bundesländern, in denen die IntegrationsforscherInnen lehren
® Diskussion zentraler Frage- und Aufgabenstellungen integrationspädagogischer Forschung
® Praxisreflexion und-evaluation
® Einbindung der integrationspädagogischen Forschung in Konzepte der geschlechtsspezifischen Sozialisation und interkulturellen Pädagogik.
Konkrete Arbeitsschwerpunkte der letzten Jahre sind: die Umsetzung der Integration in der Sekundarstufe, veränderte Anforderungen an die LehrerInnenausbildung, integrationspädagogische Konzeptionen von Förderzentren, außerschulische Integration und Forschungsmethoden wissenschaftlicher Begleitforschung.
Das Jahrestreffen 1994 wurde von uns an der Universität Dortmund ausgerichtet. Im Zentrum standen, neben 0.g. Arbeitsschwerpunkten, Diskussionen über aktuelle bildungspolitische Entwicklungen und neue Forschungsprojekte und -aspekte. Die in diesem Themenheft zusammengestellten Beiträge, basierend auf unterschiedlichen forschungsmethodologischen Herangehensweisen, ermöglichen den interessierten Leserinnen und Lesem einen Einstieg in das integrationspädagogische Forschungsfeld.
Petra Gehrmann- Birgit Hüwe