Karin Schakib-Ekbatan und Hermann Schöler- Zur Persistenz von Sprachentwicklungsstörungen
sie oft nicht besonders intoniert werden. Daneben scheinen die sprachauffälligen Kinder generell Informationen der suprasegmentalen Ebene(Intonation, Dynamik des Gesprochenen) im Sinne von Redundanzen nicht oder verzögert wahrzunehmen und zu verarbeiten(siehe dazu Weinert 1990). Die sprachunauffälligen Kinder erfassen in stärkerem Maße ganze Satzstrukturen oder Satzmuster mit allen wichtigen redundanten Informationen wie Betonung oder Dynamik. Das kann nur gelingen, wenn zur Verarbei
tung der sprachlichen Information sowohl eine angemessene Merkspanne als auch eine angemessene zeitliche Verarbeitung gegeben ist. Bei den Jugendlichen scheinen hier Defizite zu bestehen (siehe dazu auch Kegel 1989).
Die Sprachverarbeitung bzw. der Sprachentwicklungsverlauf zeigen nicht nur Retardierungsmerkmale, sondern im wesentlichen prozessuale und strukturelle Abweichungen, die im Jugendalter weiterhin beobachtbar bleiben. Diese Defizite konnten— und wir prognostizie
ren— können nicht aufgeholt werden, in Teilbereichen kann noch nicht einmal der Sprachstand sprachunauffälliger Grundschulkinder(7-8jähriger) erreicht werden. Für die Therapie sprachentwicklungsgestörter Kinder kann es daher nicht genügen, den„normalen“ Spracherwerbsprozeß zu simulieren, sondern es müssen geeignete kompensatorische Maßnahmen gesucht und entwickelt werden.
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Anschriften der Verfasser:
Karin Schakib-Ekbatan
Prof. Dr. Hermann Schöler Pädagogische Hochschule Heidelberg Keplerstr. 87
D-69120 Heidelberg
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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 2, 1995
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