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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Unterschiedliches Lernverhalten von Kindern im ersten Schuljahr beim begriffsanalogen Klassifizieren im Leipziger Lerntest DP-BAK

Von Petra Wolschke, Klaus Willmes, Walter Huber und Jürgen Guthke

Bei 153 Kindern des ersten Schuljahres wurde die Lern­fähigkeit für begriffsanaloges Klassifizieren mit Hilfe des Leipziger Lerntests DP-BAK untersucht. Die Lern­leistungen korrelierten insgesamt nur mittelgradig bis gering mit den durch herkömmliche Statustests ermittel­ten sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten der Kinder. Durch partitionierende Clusteranalysen konnten fünf Gruppen von Kindern unterschieden werden, abgestuft nach dem Ausmaß an benötigten Hilfen in der Trai­nings- und Kontrollphase des Tests. Bei den Kindern der Sprachheil- und Lernbehindertenschule fanden sich heterogenere Lernleistungen als bei denen der Regel­schule; in einer Diskriminanzanalyse wurden weniger als die Hälfte der Sonderschulkinder ihrem jeweiligen Schultyp zugewiesen. Unter den lernauffälligen Kindern fanden sich mehr Jungen als Mädchen. Mögliche Ent­stehungsfaktoren der Lernauffälligkeit wurden durch Anamnese- und Verhaltensfragebögen erfaßt. Psycho­soziale Faktoren scheinen bei Kindern mit leichter Lern­auffälligkeit vorzuherrschen, wohingegen bei den ex­trem lernschwachen Kindern dispositionelle Grundla­gen nicht ausgeschlossen werden können.

The learning ability for conceptual classification was examined by means of the Leipzig learning potential test DP-BAK in 153 first grade children from different educational institutions. Only moderate to low correla­tions were found between the learning potential of the children and their performance on conventional status tests of intelligence and language development. By means of partitioning cluster analysis, we were able to distin­guish five subgroups of children depending on the amount of learning cues needed during the training and control phase of the test. Children attending special institutions for the language and learning disabled showed more heterogeneous learning potential than those enrolled in normal elementary schools. Less than half of the children in special institutions were allocated to their respective school type using discriminant analysis. More boys than girls were found among the most learning disabled. Medical and psychosocial risk factors were assessed by means of questionnaires given to parents and teachers. A predominance of psychosocial risk factors is likely in children with mild learning disability whereas disposi­tional factors cannot be ruled out in the most disabled subgroup.

Einleitung

Für die Untersuchung des begriffsana­logen Klassifizierens von Kindern im ersten Schuljahr wurde der Leipziger Lerntest DP-BAK entwickelt. In einer früheren Arbeit haben wir die statisti­schen Grundlagen des Verfahrens be­schrieben und über die Konstruktions­eigenschaften des Verfahrens berichtet

Anmerkung: Die Analyse der Daten erfolgte mit Un­terstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

(vgl. Guthke, Wolschke, Willmes& Hu­ber 1992). Offen blieb die Frage seiner Brauchbarkeit für die Differentialdia­gnose, die aber von großer praktischer Relevanz ist. Denn angestrebt wird die Identifizierung und Charakterisierung von Kindern mit sprachlicher und ko­gnitiver Entwicklungsauffälligkeit, für die anschließend eine individuelle För­derung anzustreben ist.

Die Entwicklung von Lerntests geht zu­rück auf die in den 30er Jahren entstan­dende Entwicklungstheorie von Wygot­

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ski(1934, dt. 1964), auf die Arbeiten des Piaget-Mitarbeiters Rey(1950, 1959) und kaum bekannt auf den deutschen Psychologen Kern(1930), der die her­kömmliche psychotechnische Eignungs­prüfung kritisierte. In den 60er und 70er Jahren wurde in Europa(Guthke 1972, 1977, 1982, 1985; Klein 1978; Kalmy­kowa 1975), in den USA(Budoff, Me­skin& Harrison 1971) und in Israel (Feuerstein 1972) mit dem Lerntestkon­zept eine Alternative bzw. Ergänzung zum herkömmlichen Intelligenzstatus

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