8 Fontane Blätter 101 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes »Man kann sich kaum größere Gegensätze denken …«. Wilhelm Lübke über zwei Romane Fontanes und Marie von Ebner-Eschenbachs Mitgeteilt von Helmuth Nürnberger Am 3. März 1888 erschien in der Beilage zur(ehemals Augsburger) Allgemeinen Zeitung in München unter dem Titel Neues von deutschen Erzählern eine von W[ilhelm] L[übke] verfasste Besprechung von Marie von Ebner-Eschenbachs Roman Das Gemeindekind und Fontanes Irrungen, Wirrungen – seine»Berliner Alltagsgeschichte«, wie er sie für den Vorabdruck untertitelt hatte, die in der Buchausgabe aber nun ebenfalls als»Roman« figurierte. Das vermutlich eher zufällige Nebeneinander zweier sehr ungleicher Erzählwerke, aber auch die bibliographischen Umstände ließen diese Rezension Lübkes zu einer Art Sonderfall werden. In der späteren Forschung ist sie zwar nicht gänzlich unbeachtet geblieben, mindestens zweimal wurde sie in längeren Auszügen zitiert: in den 70ern des vorigen Jahrhunderts von Frederick Betz in der Reihe Erläuterungen und Dokumente(Reclam), der den Erstdruck verzeichnete; 1997 in der Neuausgabe des Romans in der Großen Brandenburger Ausgabe ohne Quellenangabe. 1 Darüber hinaus ist sie durch weitere Nutzung nicht auffällig geworden, zumindest in der Fontane-Forschung fand die Besprechung wenig Beachtung, wofür mehrere Gründe denkbar sind, die sich im Ergebnis summierten. Sie fehlt auch in Raschs umfassender Bibliographie(2006), in der mehrere andere Publikationen über Werke Fontanes aus der Feder Lübkes verzeichnet sind. Ein vollständiger Nachdruck ist bisher nicht erfolgt. Fontane hat sich über diese Besprechung dem Anschein nach ebenfalls nicht geäußert – was der Sorgfalt, mit der er seine literarischen und privaten Beziehungen pflegte, allerdings sehr widerspräche. Noch hatte er schwer um den Erfolg bei Kritik und Publikum zu kämpfen. Irrungen, Wirrungen brachte da zwar einen Wendepunkt, aber dessen war er sich zunächst keineswegs sicher. Am Beispiel der Besprechung Fritz Mauthnersvon Irrungen, Wirrungen, die unter dem Titel Eine Berliner Dorfgeschichte am selben Tag wie Lübkes Rezension in der Zeitschrift Die Nation erschien, lässt sich seine Vorgehensweise anhand von Berbigs Chronik Tag für Tag aufzeigen. 2 Er beginnt mit einem Brief an Mauthner, in dem er die
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(2016) 101
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