Marie von Ebner-Eschenbach zum 100. Todestag Fischer 37 darüber nicht ohne Widerspruch geblieben:»Selbst Marie von EbnerEschenbach, eine große Judenfreundin und Mitbegründerin eines Vereins zur Bekämpfung des Antisemitismus, scheut nicht immer vor der Verwendung von abstoßenden Klischees bei der Zeichnung jüdischer Nebenfiguren zurück.« 35 Allmählich stellt sich aber die Besorgnis ein, dass Marie von Ebner-Eschenbach – jenseits des speziellen Fachinteresses – der für einen größeren Leserkreis geschriebenen deutschen Literaturgeschichte abhandenkommen könnte. 36 Dabei hatte sie sich bis ins hohe Alter einen wachen Sinn für die sich anbahnenden Katastrophen bewahrt. Im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs notierte sie:»Aus unserem Traum vom Fortschritt der Zivilisation sind wir nun erwacht.« 37 Nach hundert Jahren hat dieser Satz wieder seine Gültigkeit. Wien 16. April[1916] Verehrte Gnädige Frau. Im Namen, meines im Felde stehenden Vetters Victor Dubsky, danke ich Ihnen wärmstens, und innigst für Ihre so wohltuen= de Teilnahme. Nun sind es schon 5 Wochen daß uns die vielgeliebte Tante Marie ver= lassen hat! Die Leere ist unbeschreiblich die Sie hinterläßt, und man kann es immer noch nicht fassen oß[daß] wir sie nicht mehr haben – Sie war uns so viel! Und ihre Güte war unerreicht, ich glaube oft Niemand weiß, wie groß ihre Güte war! In größter Hochachtung empfiehlt sich Ihnen, verehrte Gnädige Frau Marianne Kinsky.
Heft
(2016) 101
Seite
37
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