Editorial Editorial 5 Werte Leserinnen und Leser, »Das wirklich Fertigmachen ist die eigentliche Arbeit«, schrieb Theodor Fontane 1897 – während er seinem Stechlin-Manuskript den letzten Schliff gibt – an einen Redakteur der Zeitschrift Ueber Land und Meer. Es ist der Satz eines alten, an seinem(was er nicht weiß, aber womöglich ahnt) letzten Hauptwerk arbeitenden Schriftstellers, ein Satz, der auch etwas über den Pragmatismus des literarischen Schaffens im Zeitalter der Prosa verrät, in dem das»Fertigmachen« an die Stelle der ›poetischen Vollendung‹ getreten ist. Und doch: Die Verve, mit der Fontane – und das nicht erst beim»Fertigmachen« – an seinen Werken ›arbeitete‹, zeugt vom poetischen Anspruch eines Autors, der sich mit dem allein Handwerklichen keineswegs zufrieden gab. Einblicke in die Werkstatt des ›poetischen Arbeiters‹ Fontane geben gleich mehrere Beiträge dieses Heftes: Vier bisher unpublizierte, für das vorliegende Heft von Klaus-Peter Möller edierte Briefe an Mitarbeiter der Deutschen Verlagsanstalt – darunter jener Brief, aus dem das einleitende Zitat stammt – zeugen von Fontanes Arbeit am Stechlin und an Graf Petöfy. Fontanes Feilen an der Handschrift von Grete Minde zeigt sich in einer von einem Forschungsseminar der Universität Potsdam präsentierten Konzeptskizze, die auch Aufschluss über die Wandlungen gibt, die Fontanes Werke im Zuge ihrer Entstehung durchliefen. Ein aussagekräftiges Schlaglicht auf Fontanes werkpolitische»Arbeit« an der Rezeption seiner Werke wirft der Beitrag von Wolfgang Rasch, der sich der Rezeption jener Stelle aus Irrungen, Wirrungen widmet, in der Fontane die gute Lene ›geschlossenen Auges‹ zu ihrem Botho ›aufblicken‹ ließ. Ein handwerklicher Fehler? Oder eine poetische Volte? Den Volten und Finten Fontanes auf der Spur ist auch der Beitrag von Paul Irving Anderson: Ein langjähriges Studium der Handschrift von Effi Briest ist hier Anlass für ein ganzes Konvolut aus neuen Thesen zu möglichen Stoffgrundlagen dieses Meisterwerks – Thesen, die wir hiermit zur Diskussion stellen. Die Stoffgrundlage eines biographischen,
Heft
(2018) 105
Seite
5
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