Heft 
(2018) 105
Seite
81
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Rogerowski oder Rasumofsky? Arand 81 Fazit Eingangs wurde angedeutet, dass die Beschäftigung mit den ›realen Schat­ten‹ hinter den literarischen Fassaden den Grad der schriftstellerischen Formung der Ereignisse und Figuren durch Fontane zu verdeutlichen ver­möge. Es hat sich gezeigt, dass Fontane tatsächlich erlebte Geschehnisse ohne größere Entstellungen, vom Bericht des Korporal Vollnhals/Volnhals abgesehen, von seinen Mitgefangenen berichtet bekommen hat, wobei hier unklar bleiben muss, ob Vollnhals/Volnhals einen übertriebenen Bericht gegeben oder ob Fontane die Übertreibungen zu verantworten hat. Auch die Nennung der Namen und Einheiten hat sich bis auf die Ausnahme ­Rasumofkys/Rogerowskis und einiger typischer Ungenauigkeiten in Folge mündlicher Tradierung als weitgehend verlässlich erwiesen. Dass der Schriftsteller aber die Berichte literarisiert und den teils vermutlich wenig gebildeten Soldaten druckreife Worte in den Mund legt, ist offensichtlich. Die Frage ist vielmehr, warum Fontane diesen Mitgefangenen und ihren Erlebnissen so großen Raum gibt? Sind die Kapitel bis zur Episode von Oléron eine in sich geschlossene Reflexion über den Krieg, vor allem aber auch über sich selbst, seine Wahrnehmung des Krieges und der Franzo­sen, sind die Erzählungen der Gefangenen erzählerisch ein Bruch. Sie sind in der Gesamtkonzeption des Buches nicht notwendig und wirken kompo­sitorisch auch nicht immer rund vor allem die ansatzlos dem Leser vorge­stellte Geschichte des Jägers Schönfeldt wäre hier zu nennen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Fontane eine durchaus patriotische Absicht hatte, wie sie sich in seinem Fazit über die Gespräche mit den Mitgefangenen auch deutlich ablesen lässt:»Sie gönnten mir Einblick in das Leben unseres Volkes, in seine Kraft und Güte.« 95 Fontane lässt Bayern, Württemberger, Hessen, Preußen, preußische Polen, Mecklenburger zu Wort kommen, zeigt sie aber auch in ihrer bunten landsmannschaftlichen Verschiedenheit als zueinander gehörige Teile einer Einheit, die der beschriebene Krieg nun endlich formt. Den Wert der deutschen Einheit lässt Fontane durch die gemeinsam erlittenen Qualen der deutschen Soldaten und die Grausamkei­ten der Franzosen, z. B. in Ablis und bei der Gefangennahme der ›Gruppe Schönfeldt‹, bemessen. Wie sehr Fontane hier der schon im Krieg sich formenden, dann später tausendfach variierten ›Meisternarration‹ über die auf dem Schlachtfeld vollzogene ›Einheit von oben‹ folgt, zeigt sich in dem Urteil, das Genzel Jahrzehnte später in seiner kleinen Schrift über die Insassen der Festung gibt. Nicht zufällig zitiert Genzel den Schlussvers des in seiner nationalen Anmaßung berühmt-berüchtigten Gedichts von Ernst Moritz Arndt, Des Deutschen Vaterland, aus dem Jahre 1813, in dem die Befreiungskriege ge­gen Napoleon  I. beginnen. Genzel gibt so eine Probe kaiserzeitlicher