80 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ich wurden an die Bäume der Chaussee gestellt, um hier das Schicksal Fritsches zu teilen.« Jahn, der gut Französisch spricht, gelingt es, die Franctireurs von weiteren Erschießungen abzuhalten. Jahn, Schönfeldt, die schwer verwundeten Lübbe und Ehlers sowie die Leiche Fritsches werden auf einen Wagen gelegt und abtransportiert, wobei Ehlers noch misshandelt wird: »Ellis litt unsäglich. Er beschwor die Franzosen, seiner Qual ein Ende zu machen. Umsonst. Im Trabe ging es weiter. Als wir Schritt fuhren[...] kam ein Bauer uns nachgelaufen[...]. Er verwünschte uns alle; dann nahm er seinen Peitschenstock und schlug dem sterbenden Ellis ins Gesicht.« 91 Wovon Schönfeldt berichtet, ist auch schon nach damaliger Ansicht nur als Kriegsverbrechen zu bezeichnen. In Verlustliste Nr. 246 werden als Nachtrag zur Verlustliste Nr. 110 Jahn und Schönfeldt als gesund zurück aus der Gefangenschaft und als attachiert zur Ersatzkompanie gemeldet; der Tod Fritsches wird bestätigt. 92 Fontanes Schrift gilt bis heute als der Versuch, den Krieg in seiner Grausamkeit zu schildern. Die fürchterliche und historisch offensichtlich belegbare Geschichte Schönfeldts ist ein besonders herausragendes Beispiel dafür. Dass die Verbreitung dieser Geschichte durch Fontane aber auch ein Beitrag für die ihm ebenfalls unterstellte Absicht ist, Frankreich und die Franzosen trotz des Kriegs ohne Parteilichkeit zu schildern, kann nicht behauptet werden. In den Teilen von Kriegsgefangen, in denen es um seine eigenen Erlebnisse geht, ist Fontane wohlwollend, trotz gelegentlichen Spotts voller Sympathie für Frankreich. In den von ihm überformten Berichten der Mitgefangenen aber gibt er auch anderen Tendenzen Raum, dabei in nur vorgeblicher Distanz zu den Erzählungen stehend. Der»Infanterist mit einer 25 auf einer Achselklappe« ist für Fontane »der typische Rheinländer«. 93 Er verweist darauf, dass dieser»brillant französisch sprach«, ein ›Kölner‹ gewesen sei und einen»Klapphut«, 94 also einem Zylinder, getragen habe. Als Nebenfigur bleibt er namenlos. Seine guten Sprachkenntnisse haben den Mann in die Position des Schreibstubenleiters des Festungskommandanten gebracht, welcher ihn gelegentlich zu Fontane schickt. Ausweislich der Verlustliste Nr. 118 sind allerdings vor Fontanes Ankunft auf Oléron keine Kölner dieses Regiments als vermisst gemeldet worden, sondern ausschließlich Soldaten aus Aachen und Umgebung. Das ›1. Rheinische Landwehr-Regiment Nr. 25‹ war in Aachen stationiert. Als Kenner rheinischer Mundart zeigt sich Fontane hier also nicht, sind der Kölner und der Aachener Dialekt doch zumindest für Rheinländer sehr deutlich zu unterscheiden.
Heft
(2018) 105
Seite
80
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten