Heft 
(2018) 105
Seite
136
Einzelbild herunterladen

136 Fontane Blätter 105 In memoriam Helmuth Nürnberger eine ganze Abteilung eingeräumt. Helmuth Nürnberger durfte stolz auf diese Ausgabe sein, und er war es auch. Alle, die mit ihm an dieser Edition arbeiteten, erinnern sich an die Akribie, mit der er sich dieser Herausforde­rung stellte, und vielleicht auch an die verhalten humorvoll-ironische Wei­se, mit der er die Redaktion der Kommentare betrieb. Den Leserinnen und Lesern der Fontane Blätter ist Helmuth Nürnberger über Jahrzehnte als ein stets willkommener Beiträger bekannt. Weit über dreißig Artikel und Rezensionen sind von 1974 bis 2016 in der Halbjahres­schrift erschienen. Sein Name über einem der Texte verhieß Lektürefreude. Gewinn und Vergnügen gingen bei dem, was er zu Papier brachte, Hand in Hand. Für die Blätter schrieb Helmuth Nürnberger nicht nur. Über 25 Jahre trug er auch Mitverantwortung für die Geschicke unserer Zeitschrift. Von 1992 bis 1994 war er Mitglied der Redaktion, von 1994 bis 2002 als Vorsit­zender der Theodor Fontane Gesellschaft zugleich Mitherausgeber der ­ Fontane Blätter. Auch danach verblieb er im Beirat und stellte der dankba­ren Redaktion seine Kompetenz zur Verfügung. Selbst wenn er einmal nicht persönlich an einer Beiratssitzung teilnehmen konnte, versäumte er nie, rechtzeitig seine Gutachten einzusenden. Diese Texte zeigten Helmuth Nürnberger ganz: Hier trat ein Kenner auf, der sein Urteil mit Lust formu­lierte. Unerschrocken nahm er sich auch noch des kleinsten Beitrags an. Wiederholt haderten Redaktion und Beirat, ob es nicht das Beste sei, seine Voten statt der eingereichten Texte abzudrucken. Neben seiner umfangreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Theodor Fontane hatte Helmuth Nürnberger, stets bedachtsam und vornehm im Umgang, auch einen bei ihm unvermuteten Zug: den des Schalks, des Übermuts. Man wird es nicht anders als ein Kabinettstück nennen können, dass er einige bayerische Balladen, die er selbst nach ­Fontanes Strickmuster verfasst hatte, launig und nicht ohne Hinterlist als einen»denkwürdigen Fund« ausgab und den Fontane Blättern zum Druck anbot. Bis heute fehlt es nicht an Lesern, die dieser Imitation auf den Leim gehen. Die Kunst Helmuth Nürnbergers bestand darin, seine Leserschaft für Literatur einzunehmen. Sein Stil war geschliffen, gewandet in eine gewisse Bedächtigkeit, aus der heraus er Wissenswertes über Literatur verbreitete. Bereits im Ruhestandsalter übernahm er die Neubearbeitung der einbändi­gen Geschichte der deutschen Literatur, die seit ihrem ersten Erscheinen in den 1950er Jahren zahlreiche Auflagen erlebt hatte, ein»Auftragswerk«, wie er leise zu klagen wusste, dessen er sich jedoch mit einer Energie an­nahm, um die ihn jüngere Kolleginnen und Kollegen beneiden konnten. Das kleine Arbeitszimmer im Stillen Winkel in Freienwill gehörte nicht Fontane allein, er musste es vielmehr mit Joseph Roth teilen. Offenbar hat