Heft 
(2018) 106
Seite
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Editorial Editorial 7 Werte Leserinnen und Leser, in einer»guten Kritik«, so hat Theodor Fontane einmal in einem Brief an Paul Schlenther bemerkt, sähe»man sich wie in einem Spiegel. Eigentlich weiß man nicht, wie man aussieht, und am wenigsten, was mit einem los ist. Und nun sieht man sich: ›also so: nu ganz nett, beinah besser als ich dach­te‹«. Gar nicht ›nett‹ fand Botho von Hülsen, Generalintendant der König­lichen Schauspiele, was der Theaterkritiker Fontane(den neu zu entdecken die in diesen Tagen erscheinenden GBA-Bände Theaterkritik einladen) im November 1871 in der Vossischen Zeitung verlauten ließ. Hülsens Kritik an Fontanes Kritik und Fontanes Entgegnung darauf können Sie im ersten Beitrag der Rubrik Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes in diesem Heft nachlesen. Dass Fontane von der zeitgenössischen österreichischen Litera­turkritik weitaus öfter der Spiegel vorgehalten wurde, als bisher angenom­men, legt der zweite Beitrag in dieser Rubrik dar, der zugleich mit Karl von Thaler einen der eifrigsten österreichischen Fontane-Rezensenten vorstellt. Theater und Zeitungen sind nur zwei Beispiele für die Medien, mit de­nen Fontane nahezu täglich umging: studierend, kritisierend, konsumie­rend. In die Bildwelten Fontanes führt Christoph Wegmanns Beitrag, der auf einem Rundgang durch das Romanwerk mal mehr, mal weniger be­kannte Spuren der»Bildmagie« untersucht und dabei auf jene schummri­gen Grenzbereiche des Gespenstischen blickt, in die sich Fontanes Realis­mus zuweilen vorwagt. Ganz im Tageslicht der Kritik bewegen sich hingegen die in diesem Heft erfreulich zahlreichen Rezensionen von wissenschaftlichen Neuerschei­nungen zu Fontane und seiner Zeit. Dass wir Ihnen hier u.a. auch einen Einblick in die regen Forschungen unser polnischen Nachbarn geben kön­nen, freut uns besonders. Neues Terrain betreten die Fontane Blätter mit zwei Rubriken, die Ihnen in diesem Heft erstmals begegnen und mit denen wir zukünftig, von Zeit zu Zeit, das Spektrum der Formate und Perspektiven der Blätter erweitern