12 Fontane Blätter 106 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Theodor Fontane an Botho von Hülsen, Berlin, 21. November 1871 Handschrift: TFA, Signatur: Hülsen A 27 HBV: 71/69 [Blaustift, von anderer Hand:] Fontane. [Posteingang:] 22/11 71 Hochwohlgeborner Herr, Hochzuverehrender Herr General-Intendant. Ihr eingehendes und schon dadurch mich auszeichnendes Schreiben vom 18. d. M. habe ich zu empfangen die Ehre gehabt. Ich nehme nicht Anstand ohne Weitres auszusprechen, daß es mir leid thut, die mir anempfohlene»Vorsicht« nicht schon bei Abfassung meiner Wallenstein-Kritik geübt zu haben. Ich betrachte alle diese Sachen nicht als Gewissens-Sachen, und finde deshalb, meiner ganzen Charakteranlage nach, keine Schwierigkeit darin, Fragen unberührt zu lassen, deren Berührung eben nur – Anstoß giebt. Die Bretter bedeuten ja nur die Welt. Ich verspreche Ihnen also, hochzuverehrender Herr General-Intendant, auf solche und ähnliche Dinge nie wieder zurückzukommen, und leiste dieses Versprechen um so lieber, als ich – ganz im Gegensatz zu Annahmen, die mir zufällig zu Ohren gekommen sind – von dem Tage an, wo Sie die Königlichen Theater übernahmen, zu den unverbrüchlichen Champions Ihrer Verwaltung gehört habe. Freilich fasse ich das Wort nicht in dem Sinne, daß nicht eine abweichende Meinung, selbst eine durchaus irrthümliche, gestattet sein sollte. Wollen Sie deshalb, hochzuverehrender Herr GeneralIntendant, zum Schluß dieser meiner Erwiderung auch die ergebenste Bemerkung verzeihn, dass ich das in No 273 der Vossischen Zeitung Gesagte, auch noch jetzt für richtig, jedenfalls aber – auch wenn ich irren sollte – das Aussprechen einer wohlüberlegten, auf individueller Ueberzeugung beruhenden Ansicht für mindestens berechtigt halte. Dazu bin ich da. Dies alles übrigens nur zur Wahrung des Prinzips; meine Zusagen können dadurch in nichts alterirt werden. Auf andre, meinem Selbstgefühl nicht allzu schmeichelhafte Parthien Ihres geehrten Schreibens, glaube ich nicht näher eingehen zu dürfen, um so weniger als es – wie Sie ja auch selbst die Erwartung aussprechen – nie meine Sache gewesen ist, mich durch cursirende»Gemeinplätze« in meinem Urtheil bestimmen zu lassen. Selbstständig war ich immer; vielleicht etwas zu sehr. Ihrem Wohlwollen auch für die Zukunft mich empfehlend, mit der aufrichtigen Bitte auch an meine»guten Absichten« glauben zu wollen, hochzuverehrender Herr General-Intendant, Berlin Ihr ganz ergebenster d. 21. Novemb. 71. Th: Fontane.
Heft
(2018) 106
Seite
12
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