Heft 
(2018) 106
Seite
44
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44 Fontane Blätter 106 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Gretes Amulett und Effis Chinese Fälle von Bildmagie in Theodor Fontanes Romanwelt Christoph Wegmann Durch die meisten Romane Theodor Fontanes spukt und geistert es, und das meiste von diesem Zauber ist an Bilder gebunden, weil Bilder an sich Bannkraft besitzen und in magischen Praktiken schon immer eine zentrale Rolle gespielt haben. 1 Im riesigen ›Musée imaginaire‹ von mehr als 1500 Bildobjekten, welche Fontane in seine Romane eingearbeitet hat, weisen um die fünfzig einen direkten Bezug zu Magie und Spuk auf: Grab­steine, Prozessionsfahnen, Hirschgeweihe, Amulette, Münzen, Spielkarten und manches mehr. Sie verweisen auf die innere Verwandtschaft von ­Magie, Imagination und Bild, wie sie sich ja auch im gewöhnlichen Alltagsleben immer wieder zeigt, weshalb Lewin von Vitzewitz einmal meint, dass»›in dem plattgedrücktesten Pfefferkuchenbild immer noch ein Tropfen vom himmlischen Manna‹« 2 sei, vom Brot des Lebens also, das während der Wand­ erschaft der Israeliten wie ein Wunder vom Himmel schneite. Seit je kommen in magischen Praktiken Bilder oder Zeichen zum Einsatz Masken, Fetische, Stäbe, Figurinen, Gesten. Die Venus von Willendorf etwa oder die gemalten Auerochsen in der Höhle von Chauvet, diese von frühen Menschenhänden geschaffenen Werke, dienten höchst wahrschein­lich magischen oder rituellen Zwecken: die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier, das Jagdglück, die Naturkräfte sollten mit Bildern, Gesten und Worten beschworen werden. Der magische Gebrauch von Bildern war aber keines­wegs allein den Menschen der Steinzeit oder dem archaischen Brauchtum im vormodernen Europa eigen, auch das Christentum ist voll von wunder­tätigen Bildern und Objekten, manche von ihnen sind sogar selber durch ein Wunder entstanden, durch die Hand eines Engels gemalt worden oder einfach vom Himmel gefallen. 3 Viele dieser Bilder, die vor und neben der eigentlichen Kunst existieren, unzählige Altäre, Votivtafeln, Reliquien­schreine und Schutzheiligenfiguren, halfen und helfen beten und bitten, sie schützen, tun Wunder und vollbringen Heilungen. Andere hingegen ver­breiten Schrecken und Schaden.