Heft 
(2018) 106
Seite
102
Einzelbild herunterladen

102 Fontane Blätter 106 Labor Zwischen»Weltverbesserungsleidenschaft« und»Schmetterlingsschlacht«. Seltenste Substantive in Fontanes Romanen Peer Trilcke in Zusammenarbeit mit Luisa Billepp, Kristina Genzel, Lena Keil, Tabea Klaus, Mona Mia Kurz, Anneke Siedke, Christian Ziesmer Zu den stilistischen Auffälligkeiten von Fontanes Prosa gehört die Erfin­dung von Worten, insbesondere von Nominalkomposita, also Zusammen­setzungen aus mehreren Substantiven, man denke etwa an den»Angstap­parat« 1 Innstettens in Effi Briest oder die»Generalweltanbrennung«, 2 die Dubslav in Der Stechlin heraufziehen sieht. Solche originellen Wortbildun­gen entfalten ihre Wirkung gerade durch ihre Seltenheit, die ihnen ein be­sonderes Gewicht gibt. Sie besitzen eine geradezu namensartige Bezeich­nungskraft, so als wären sie allein für das gemacht, auf das sie in der spezifischen Situation angewendet werden. Nun fallen solche Worte angesichts ihrer Originalität durchaus auch bei der ›normalen‹ Lektüre auf, allerdings werden sie auch schnell überlesen. Was mit den Mitteln einer solchen Lektüre darüber hinaus nahezu unmög­lich ist, das ist die Feststellung, ob eine bestimmte Wortprägung nicht nur selten, sondern gar einzigartig ist. Derartige Worte, die in einem Text oder einer Textsammlung(also einem sogenannten Korpus) lediglich einmal vor­kommen, werden als ›Hapaxlegomenon‹ bezeichnet, abgeleitet von grie­chisch π αξ (hápax, einmal) und λεγό μ ενον (legómenon, was gesagt wird). Eine Möglichkeit, der besonderen Originalität von Fontanes Sprachver­wendung auf die Spur zu kommen, könnte nun die Suche nach solchen Ha­paxlegomena sein. Grundlage der folgenden Analyse ist das gesamte Romanwerk Theodor Fontanes, also die 17 Romane(der Begriff wird hier im weiten Sinne ver­wendet, umfasst also auch als ›Erzählungen‹ betitelte Texte wie etwa Schach von Wuthenow), einschließlich des postumen Romans Mathilde Möhring. Aus den Romanen wurden in einem ersten Schritt zunächst alle Substanti­ve extrahiert. Die Voraussetzung für diesen Schritt bildet ein digitales Werkzeug zur automatisierten Wortartenerkennung(ein sogenannter ›Part-of-Speech-Tagger‹, das von der Forschung zur maschinellen Sprach­verarbeitung(dem ›Natural Language Processing‹) entwickelt wurde und das mit einer sehr hohen Präzision für jedes Wort die Wortart bestimmt.