Heft 
(2018) 106
Seite
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Es riecht, es schmeckt, es berührt 119 3. Methodenkritik Bei der Erarbeitung und Auswertung der Daten sind einige Fragen offen­geblieben, zudem lässt sich aus philologischer Sicht durchaus Kritik an der Methode formulieren. So ist beispielsweise die Auswahl der Wahrneh­mungsverben nicht vollständig. Wie im Abschnitt Datenvorbereitung dar­gestellt, basiert die Analyse auf der Liste der Perzeptionsverben von Germa­net, die überprüft und angepasst wurde. Dabei trat das Phänomen zutage, dass einige der Verben schlichtweg nicht auf das 19. Jahrhundert anwend­bar waren, da sie zur damaligen Zeit noch keine Verwendung fanden. Zu­dem gibt es Verben, die nicht gebräuchlich waren. Andere Verben wiederum, die in den Werken zu finden waren, standen teilweise nicht auf der Liste der Perzeptionsverben und wurden auch nicht ergänzt. Hier besteht die Gefahr, dass nicht alle Verben aus dem Bereich der Wahrnehmung Einzug in die Statistik erhielten. Ein weiteres Problem der bereitgestellten Perzeptionsverben war die nicht eindeutige Zuweisung zu einem Sinnsystem. Daraus ergab sich, dass einzelne Verben wie zum Beispiel ›wahrnehmen‹ und ›bemerken‹ doppelt gewertet wurden. Die Zuordnung der Wahrnehmungsverben wurde nach Richtlinien quan­titativer Verfahren durchgeführt. Dadurch wurden nicht alle Wahr­nehmungsverben in einem Zwischenschritt begutachtet und ggf. aus der Liste gelöscht. Somit blieb u.a. ›gehen‹ als vestibuläres Wahrnehmungsverb in der Liste enthalten. In der abschließenden Reflexion der Ergebnisse wur­de dies kritisch hinterfragt, da insbesondere das Wahrnehmungsverb ›ge­hen‹ im Romankontext selten als sinnerfahrendes Element fungiert. ›Gehen‹, als sinnerfahrendes Element, wäre höchstens in einem hermeneutischen Spaziergang möglich. In den Romanen kommt dies jedoch sehr selten vor, die Fortbewegung findet vielmehr meist ohne weitere sinnerfahrende Be­deutung statt. Da der Anteil von ›gehen‹ mit 90,09% in Relation zu den ande­ren vestibulären Wahrnehmungsverben extrem hoch ist, müssen wir hier von Verzerrungen in den Daten ausgehen, da die nicht immer eindeutige semantische Funktion sowie mögliche metaphorische Ebenen der Wahr­nehmungsverben nicht berücksichtigt wurden. Diesbezüglich ist auch ­› überfliegen zu nennen. Der vestibuläre Gebrauch konnte in nachträglich durchgeführten Stichproben nicht ermittelt werden. Entweder wird es als visuelles Wahrnehmungsverb(»Ich will ihn[den Brief] noch einmal über­fliegen«) 6 oder in einer metaphorischen Funktion(»und ein Schimmer freu­diger Überraschung überflog beide Damen«) 7 verwendet. Zudem ist eine bloße Zuordnung der Wahrnehmungsverben zu den fünf Sinneskategorien nicht ausreichend, wie aus Tabelle 3 ersichtlich wird. Wahrnehmungsverben, etwa ›stoßen‹, können mehreren Sinnen ­zugeordnet werden, weshalb Dopplungen auftreten; auch kognitive Prozesse, die z.B.