Fontanes ›Force‹ und die Figurensprache in Effi Briest 135 Fontanes ›Force‹ und die Figurensprache in Effi Briest Sandra Murr, Nils Reiter, Sarah Schulz, Tim Strohmayer Das Stuttgarter Team hat sich während des dreitägigen Hackathons der Figurenrede in Fontanes Roman Effi Briest angenommen. Ausgangspunkt hierfür ist unter anderem eine Aussage Fontanes in einem Brief an seine Tochter Martha, 1 in der er auf die Sprache und den Sprachgestus seiner Figuren eingeht:»Es hängt alles mit der Frage zusammen: ›wie soll man die Menschen sprechen lassen?‹ Ich bilde mir ein, daß nach dieser Seite hin eine meiner Forcen liegt, und daß ich auch die Besten(unter den Lebenden die Besten) auf diesem Gebiet übertreffe. Meine ganze Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, die Menschen so sprechen zu lassen, wie sie wirklich sprechen.« 2 Dass sich diese ›Force‹ von Fontane als charakteristisch und programmatisch für seine Romane werten lässt und dass die Sprache der Figuren ein zentrales»Mittel[seiner] Wirklichkeitsmodellierung« 3 ist, hat die Forschung bereits vielfältig herausgestellt. Dabei wurde nicht nur betont, dass Fontane das Sprachverhalten der Menschen zum Gegenstand seiner Werke macht, sondern auch, dass gerade darin seine Kunst liegt. 4 Durch die hohe Dialogizität in den Romanen tritt der zumeist nullfokalisierte Erzähler oftmals stark in den Hintergrund. Die Handlung, so Barbara Naumann, ist auf die Gesprächsszenen zwischen seinen Figuren hin organisiert und kulminiert in diesen. 5 Darüber hinaus bilden die Gespräche, wie Norbert Mecklenburg ausführt, nicht nur die»gesellschaftliche Wirklichkeit wesentlich als sprachliche Wirklichkeit« ab, auch erzeugt die»Polyphonie einander relativierender Ansichten von Realität« 6 die spezifische Gesellschaftskritik der Fontane’schen Romane. Die Figuren positionieren und charakterisieren sich demnach sowohl explizit, also durch die eigenen Aussagen, als auch implizit, sprich durch die Art und Weise, wie sie sprechen.
Heft
(2018) 106
Seite
135
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