Heft 
(2018) 106
Seite
144
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144 Fontane Blätter 106 Rezensionen und Annotationen Katharina Grätz: Alles kommt auf die Beleuchtung an. Theodor Fontane Leben und Werk. Stuttgart: Reclam 2015. 264 S. 12,95; E-Book 11,99 Auf wenig mehr als 250 locker bedruckten Seiten legt Katharina Grätz(Uni­versität Freiburg i.Br.) ein griffiges, gut lesbares Kompendium vor, das alles enthält, was man über Fontane wissen muss, wenn man sich erstmals mit diesem Autor auseinandersetzt oder sich zu einem bestimmten Werk einen raschen Überblick über Inhalt, Thematik und die Quintessenz der von der Forschung entwickelten Interpretationslinien verschaffen möchte. Schon in der Auswahl und Anordnung der acht Kapitel trifft das Buch eine deutliche Aussage darüber, welche Teile von Fontanes Œuvre aus heu­tiger Sicht relevant erscheinen: Im Vordergrund steht das Romanwerk, mit dem sich sechs Kapitel befassen, der Lyrik und den Balladen ist das ab­schließende Kapitel gewidmet. Das gesamte übrige Œuvre wird im Rahmen des Kapitels zu Fontanes Biografie und seiner Entwicklung als Autor be­sprochen: Die Wanderungen durch die Mark Brandenburg beispielsweise waren nicht nur Stoffreservoir für das Romanwerk, an ihnen entwickelte Fontane auch grundlegende Schreibtechniken wie das Figurenporträt, die topografische Beschreibung und den Dialog. Das Theaterreferat bei der Vossischen Zeitung ermöglichte Fontane, den»Kreuzzeitungsdunst«(S. 40) hinter sich zu lassen, und brachte ihm sowohl Reputation ein als auch Ver­bindungen zu gesellschaftlich gehobenen und künstlerisch interessierten Kreisen auch wenn die Ära, in der er rezensierte, mit ihrer Dominanz reiner Unterhaltungsstücke und staatlich geförderter Schiller-Epigonen keineswegs eine Blütezeit des Theaters war. Katharina Grätz hebt zum einen Fontanes Prägung durch den Journa­lismus hervor, der ihn lehrte, Quellen wirksam und publikumsgerecht auf­zubereiten,»zupackend und leserorientiert«(S. 7) zu schreiben, zum ande­ren seine Sonderstellung innerhalb des deutschsprachigen Realismus: Berlin statt Provinz als Schauplatz, gesellschaftlich repräsentative statt so­zialer Randfiguren im Figurenarsenal von Romanen, die an den modernen europäischen Gesellschaftsroman anschließen und zugleich durchlässig für Einflüsse des Naturalismus, des Impressionismus und der Décadence sind. Ein weiterer Aspekt, dem durchgehend Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist das Schreiben für den Markt die Orientierung an Publikumser­wartungen oder deren Provokation, das in beständiger Spannung steht zum Schreiben als einem existenziellen Grundbedürfnis Fontanes. Das der Romanpoetik gewidmete Kapitel zeigt auf, wie das mimetische Konzept und die Verklärungsästhetik des poetischen Realismus im Laufe von Fontanes Karriere als Romancier mehr und mehr in Widerspruch ­geraten zur Vielstimmigkeit der Romane mit ihrer pluralen Codierung, ih­ren Subtexten und ihrem Kosmos aus Zeichen und Bildern, Zitaten und