Heft 
(2019) 107
Seite
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8 Fontane Blätter 107 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Familienanzeigen wie Fontane vor 200 Jahren erstmals in die Berliner Presse kam Wolfgang Rasch Manfred Horlitz zum Gedenken Wer heute Berliner Zeitungen aus den Jahren 1819 oder 1820 durchblät­tert, wird von ihrem dürftigen um nicht zu sagen kläglichen Erscheinungs­bild überrascht sein. Es gab in Berlin nur zwei politische Zeitungen, die Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (kurz Vossische Zeitung, seit etwa 1704, Vorgängerblätter seit dem frühen 17. Jahrhundert) und die Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehr­ten Sachen(kurz Spenersche Zeitung, seit 1740). 1 Sie erschienen noch nicht in Folio, sondern im bescheidenen Quartformat auf grauem, grobem Löschpapier und kamen nicht einmal täglich heraus. Die Spenersche etwa wurde nur dienstags, donnerstags und am Sonnabend ausgegeben. Diese Zeitungen glichen damals noch mehr den Gazetten des 18. Jahrhunderts. Vom Profil einer modernen Tageszeitung, wie es sich im Laufe des 19. Jahr­hunderts entwickelte, hatten sie gar nichts: Einen ›Aufmacher‹ gab es nicht, keine plakativen Überschriften, keinen orientierenden Leitartikel, keine Meinungsseite oder Kommentare zur aktuellen Lage, keine Glossen und von einem Feuilleton ›unter dem Strich‹ war man noch weit entfernt. Die Redakteure hatten es schwer. Zäh, träge und unsicher flossen die Informa­tionen, lange Postwege verzögerten den Nachrichtenverkehr(es gab ja in Preußen erst 1830/32 optisch-mechanische Flügeltelegraphen), Mangel an Korrespondenten nötigte zum Nachdruck von nicht überprüfbaren Nach­richten aus auswärtigen Zeitungen, der schleppende Druck(die Schnell­presse war noch nicht eingeführt) tat sein Übriges. Schlimmer jedoch als all diese Plagen waren die Umtriebe der Zensur. Infolge der Karlsbader Be­schlüsse war am 18. Oktober 1819 der preußischen Presse ein neues Zensur­edikt vorgesetzt worden,»ein Maulkorbgesetz schlimmster Art, wie der Zensurforscher Heinrich Hubert Houben feststellt. 2 Fast täglich hagelte es neue Restriktionen, neue Auflagen, neue Verordnungen. Die gesamte Zei­tung, also auch alle Inserate und Privatanzeigen, waren der Zensur unter­worfen. Und obwohl weder die Spenersche noch die Vossische kritische Oppo­sitionsorgane waren, erhielten ihre Chefredakteure 1820 vom Ober-