Heft 
(2019) 107
Seite
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22 Fontane Blätter 107 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes wurden diese Gefechte auch schriftlich fortgesetzt[]«. 8 Gelegentlich bittet Fontane Brahm, ihn zu vertreten, wenn er durch Krankheit verhindert ist. Brahm gehört zu den Mitbegründern der Zwanglosen Gesellschaft(22. Januar 1884), der auch Fontanes Söhne Theodor und George angehörten und der sich Fontane 1888 selbst anschloss. Bereits am 31. Januar 1885 nahm Fontane an einem Fest der Zwanglosen im Englischen Haus(Mohren­straße 49) teil. Am 29. Oktober 1882 schrieb Fontane dem jungen Kollegen, dass er von seinem ersten Auftreten in der Vossischen Zeitung an zu seinen Verehrern gehört habe.»Sie sind wie zum Kritiker geboren: scharf, klar, fein und, was bei dieser glücklichen Dreiheit kaum ausbleiben kann, ein brillanter Stilist. Alles, was Sie schreiben, les ich mit Vergnügen, wie man einen klugen Men­schen gern sprechen hört.« Allerdings war dies, wie Schlenther richtig be­merkte, nur die Einleitung zu dem massiven Einwand, dass Brahm sich da­rum gedrückt hatte, in seinem Essay über Paul Heyse ein klares Urteil zu fällen.»Wär ich der jüngere, könnt ich, ihn überlebend, in die Lage kom­men, über ihn zu schreiben, ich würd ihn in meinem Essay sehr hoch und sehr tief stellen und das Perverse und schließlich doch auch sehr Unkonse­quente seiner Lebensanschauungen und seines Liebeskatechismus zu be­weisen suchen.« 9 Ganz ähnlich urteilte Fontane, als er 1883 den Essay von Brahm über Gottfried Keller für die Vossische Zeitung rezensierte.»Kenntnisreich und liebevoll ist alles aus einem wirklich kritischen Berufe heraus geschrieben []«, allerdings vermisst Fontane in den Urteilen, die Brahm äußert, Klar­heit und Entschlossenheit, ja das Urteil überhaupt. 10 Für diese»Monstre­Kritik« bat Fontane Brahm in seinem Brief vom 11. April 1883 um Verständ­nis, ohne jedoch das Gesagte zurückzunehmen. Die Methode, der»Modus, nach dem die junge spintisirende Schule verfährt«, schien ihm»angreif­bar«, seine unausreichende Beweisführung erklärte er aus»Angegriffen­heit und starker Nervenpleite«. 11 Gerade diesem eigentümlichen Schreiben vom 11. April 1883 fügte Fontane auf einem»Extra-Blatt« noch eine Nach­schrift hinzu, in der er sich mit dem jungen Kollegen solidarisierte, der vom Direktor des Wallner-Theaters, Theodor Lebrun, boykottiert wurde. 12 Dabei­mochte sich Fontane daran erinnern, dass er selbst sich zu Beginn seiner Rezensenten-Tätigkeit in einen ganz ähnlichen Konflikt mit dem General­intendanten Botho von Hülsen verwickelt sah. 13 Später äußerte sich Fontane anerkennend über die Scherersche Schule, zu der er sich selbst»nach Kämpfen« bekannte. Über Otto Brahm und Paul Schlenther, ihre»besten Nummern«, urteilte er:»Von Natur gescheit, gut geschult und gebildet, fleißig, klar und gute Stilisten und in ihren besten Momenten auch mit Witz ausgestattet, sind sie all den andern, die ich ken­ne, literarisch, ganz gewiß aber in den landesüblichen Umgangsformen überlegen.« 14 In Fontanes Kritik über Brahms Kleist-Essay, erschienen am