Heft 
(2019) 107
Seite
29
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Otto Brahms Essay über Ibsen  Möller 29 gegen den Glauben« stritt und den»Einklang von Lehre und Thun, von Glauben und Sein« forderte, fand Fontane interessant(S. 23).»›Platz sich selber zu gehören‹, will Brand erstreiten, wie ihn Ibsen erstritten hat.« Die­sen Satz(S. 24) hat Fontane angestrichen. 41 Mit einem Doppelstrich mar­kierte Fontane die Passage darüber, dass es nur»einer bedeutenden schöp­ferischen Kraft« gelingen konnte, das»Construirte und Complicierte in all diesen sich bedrängenden ­Voraussetzungen und Motiven dieses Stoffes zu überwinden«(S. 26). Die Passage über den Einfluss von Kierkegaard und dessen»Verherrlichung der Leidenschaft und des ›einzelnen‹ Individuums« hat Fontane mit langem Strich markiert(S. 28 f.). Mit einem Doppelstrich hervorgehoben hat er auch das Bild von einem»dritten Reich«, einem unbe­kannten»Zukunftsland, in welchem die Versöhnung zwischen dem Reich des griechischen Naturcultus und dem weltfremden Reich der Christenheit gefunden ist.«(S. 33). Besonderes Interesse fanden die Ausführungen Brahms in den Ab­schnitten 5 und 6 bei Fontane. Die Charakteristik der Figur Stockmann aus dem Drama Ein Volksfeind bewertete Fontane mit»sehr gut«(S. 58 f.), die der Figur Gregers aus Die Wildente mit»Auch sehr gut«(S. 60). Brahm schrieb, Gregers leide»an einer nationalen Krankheit: einem akuten Recht­schaffenheitsfieber«. Diesen trefflichen Ausdruck hat Fontane(wie hier ge­kennzeichnet) unterstrichen. Die weiteren Erklärungen zu der Figur fand er jedoch nicht überzeugend und markierte sie mit einem Fragezeichen. Die Formel»Wettstreit, nicht Streit«, mit der Brahm Johannes Rosmer aus dem Drama Rosmersholm charakterisierte, gefiel Fontane»gut«, wie er am Rand notierte(S. 61). Und Brahms Einschätzung von Ibsens künstlerischer Ent­wicklung markierte er mit einem dreifachen und einem doppelten Strich: »[] er nennt nun wirklich die schwere Kunst sein eigen, ›in einfacher, wah­rer Sprache der Wirklichkeit zu dichten‹: sein Realismus ist zugleich an je­dem Punkte poetisch und seine Poesie ist überall real.«(S. 62). Die Einschät­zung von Rebecca West als»der überragenden weiblichen Heldin des Stückes« weiterhin geht es um Rosmersholm erschien Fontane dagegen fraglich. Der Bewunderung, mit der Brahm den Schluss des Stückes wür­digt, konnte er ebenfalls nicht ungeteilt zustimmen. Brahms Beurteilung der Sprachkunst Ibsens bewertete Fontane mit»Sehr gut«, den Vergleich der in verschiedenen Werken wiederkehrenden Motive jedoch als»Zu fein, zu spintisirend und dadurch doch rechter Klarheit entbehrend.«(S. 63). Allerhand auszusetzen hatte Fontane am sechsten und letzten Abschnitt von Brahms Schrift, in dem es um die künstlerische Entwicklung Ibsens und den Zusammenhang von Leben und Dichtkunst geht.»Aber wenn der schöpferische Proceß beendigt ist und der Dichter seinem Werke nun be­wußter gegenübersteht, erkennt er den Zusammenhang zwischen dem Ge­dicht und dem eigenen Leben, der ihm früher verhüllt war[]«. Diese Pas­sage streicht Fontane an und glossiert:»alles zu feierlich«(S. 67). Noch