Heft 
(2019) 107
Seite
80
Einzelbild herunterladen

80 Fontane Blätter 107 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte beanspruchte dieselbe Authentizität wie das königliche Testament, mit dem der poetische Text in die Schranken gewiesen wurde. Und Fontane ließ sich durchaus gesagt sein, was ihm hier gesagt wurde. Es beeinflusste vor allem seine Publikationsstrategie und die Arrangements, in die er sei­ne Preußenlieder platzierte. 49 4 Dieser Sekretär bewegte sich auf Königsebene im dreifachem Sinne: his­torisch, gegenwärtig und virtuos. Historisch, indem er sich zum archivari­schen Sachwalter des preußischen Hofes machte, gegenwärtig, indem er die zeitgenössische preußisch-determinierte Poesiewürdigkeit wog, und virtuos, indem er nachgerade leichthin die Gerichtsrobe abwarf und das Richtschwert beiseitelegte:»Als der König sezirt und begraben war, wur­de allgemeiner Frühling, und der May war gar nicht mehr zu halten. Petrarkas Muse nahm sogar den Arm eines Lieutenants, und flog mit ihm in den Thiergarten, um zu schwärmen.[]« 50 Und damit war die Brücke geschlagen von Fontanes»Ein letzter Wille« zu Ludwig Lessers»Früh­lingslied eines Offiziers« Was Merckel vollzog, war keine Frage bloßer Gesinnung oder politi­scher Position. Dem Habitus lag ein Anspruch zugrunde, der alle vereins­geschichtlichen Albernheiten in die Rumpelkammer verwies und Rangbe­wusstsein demonstrierte und forderte. Möglich wurde dieser Anspruch durch die poetische Vorgabe und möglich durch die Fontanes, die hinter Text und Thema stand. Bedenkt man, was nach den jüngsten Forschungen etwa zum jüdischen Tunnel und zu einzelnen Tunnelianern 51 unabdingbar ist, die Vereinsspezifik, dann fällt Merckels Durchsetzungskraft als Sekre­tär noch stärker ins Gewicht. 52 Hier ist abzubrechen obgleich das Skizzierte Vertiefung verlangt: Merckels protokollarische Virtuosität lädt zur systematischen Analyse ein. Zu analysieren wären die Anfänge, die Bandbreite der Beitragsbeschrei­bungen, die politischen Anspielungen wie die individueller Eigenarten der Tunnelianer, und nicht zuletzt die wieder und wieder praktizierte Inszenie­rung des»Sekretärs«. Sie ist eine stehende Figur in den Protokollen, mit der Merckel unablässig spielte und operierte. Sie erlaubte, von seiner Per­son abzusehen und im gleichen Zuge sie ganz und gar zur Wirkung zu bringen. Ein Beispiel zum Schluss und ein passgerechtes. Denn am 9. Mai 1847(Sonntag»Rogate« Bete!), also eine Woche nach dem königlichen Testamentsdelikt Fontanes, ließ sich Merckel folgende beziehungsreiche Tunnel-Eröffnung einfallen: Das heißt: Wie für die Reichsstände gebetet wird, daß der Sünden u. Stutzer weniger werden mögen; so wird denn gelegentlich für den Se­cretair gebetet werden, daß er[ eingefügt: die] Dichter zu Ruhe lasse, die er nicht versteht und schlechter kritisirt, als sie gedichtet haben.