Zum Status des Vereinssekretärs Berbig 79 gewiss, sicher partiell. Das Protokoll war nicht länger launischer Vorspann, sondern produktiver Einstieg: eine diskursive Offerte. Kein Protokoll spiegelt die souveräne Autorität des Sekretärs vergleichbar wie das vom 2. Mai 1847.»Cantate!« setzte Merckel unter die Datierung – und gab den Sangeston vor:»Und nun hieß es: Cantate!/ Und es war scharf gekantert!« Kohler, der dieses beispiellose Protokoll durchbuchstabiert hat, sah in Merckels tabellarischer Gegenüberstellung – hier F ontanes zeitgenössisches Gedicht»Der letzte Wille«, dort das historische Testament Friedrich Wilhelm I., hier Dichtung also, dort Wahrheit – vornehmlich das Ziel, das sie anstrebte und das er(wie möglicherweise auch Fontane) guthieß: »Der König hat unzweifelhaft besser testirt, als Lafontaine gedichtet.« 47 Aber Kohler verzichtete darauf, jene»lange, von streng konservativ-preußischem Geist getragene Charakteristik des Soldatenkönigs« mitzuteilen, als verstünde sich deren Gestus von selbst. Hier wenigstens kurze Auszüge, um von Ton und Intention einen Begriff zu geben: […] Der König, dem das Gedicht galt, war ein Sonderling, von Schrot und Korn; als er den Thron bestieg, fegte er diese Molochhöhle parfumirten verunzirten paradeflüchtigen und vergeudenden Franzosenthums mit blankem Degen aus, und die Perücken staubten nach allen Winden.[…] Die Armee, die Schlesien eroberte und allen Völkern Europa’s in die Augen sah, war dieses Königs Werk. Der Schatz war von ihm erspart, der König war deutscher, als der Kaÿser, und hielt dem die Treue, der ihn meuchlings betrog. Seine eiserne Faust schmiedete die lockern Fragmente des Staates in eiserne Bande zusammen; aber sein Auge sah die lungernde Meute [ Streichung] ringsum, die zu zerfetzen begierig war; er wußte, wo es brechen würde, und starb mit der Prophezeÿung: hier steht Einer, der mich rächen wird! Und diesen Einen hatte er freilich wenige Jahre zuvor zum Tode verdammt. Aber er sah damals nur den Deserteur in ihm, der, widerwillig und unfähig, auf gut Preußisch zu regiren, die junge Schöpfung der Macht und Ehre zerfallen verderben werde. Und eben dieser Sohn, durch die schwere Probe bewährt und durch das Fegefeuer seiner Jugend gestählt, war es, den er am Todesmorgen an sein Sterbebette rief, und segnete. Jetzt sein Liebling, seine Hoffnung, war dieser Sohn es, dem der sterbende König das[ Streichung] große Vermächtniß, ihm nachzufolgen, vertraute. […] 48 Merckel trat auf als historischer Rhapsode, jedes Witzwort war eliminiert. Nicht einen Augenblick gab er vor,»der Tunnel« zu sein oder für ihn zu sprechen: Er sprach mit eigener unverstellter Stimme. Die Rolle des Sekretärs war kein Spiel mehr, sondern Realität. Die Person, die sie verkörperte,
Heft
(2019) 107
Seite
79
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