Heft 
(2019) 107
Seite
125
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Fontane als Leser  Busch 125 Fontane-Bibliographie online 82 und der Onlinepublikation der Fontane Blätter 83 ist sie die vierte Säule der Präsentation der Kernbereiche des ­Theodor-Fontane-Archivs im Netz. Die im diesjährigen Fontane-Jahr erfolgte wissenschaftliche Schwer­punktsetzung von Fontane als Medienarbeiter, 84 die auch seine Medien­praktiken des Exzerpierens, Notierens, Annotierens, Kompilierens, Redi­gierens und Korrespondierens in den Blick nimmt, erfolgt durch die Visualisierung der Handbibliothek auf zweifache Weise: Zum einen kann diesen medialen Phänomenen im Zeit- und Lebenszusammenhang Fontanes­nachgespürt werden, zum anderen wird durch die digitale Transformation, also gleichsam durch den digitalen Blick auf das historische Material, eine Fragestellung evoziert, die auch eine Reflexion über die Funktionen des kulturellen Gedächtnisses im digitalen Zeitalter notwendig macht. Daran schließt sich auch die Standortbestimmung einer Institution wie der des Theodor-Fontane-Archivs unter veränderten(digitalen) Vorzeichen an: Die neuen digitalen Instrumente verändern eben nicht nur die Fragestellungen, sondern auch die Annäherung an die Gegenstände und das ihnen entge­gengebrachte Verständnis. Im konkreten Fall der Visualisierung der Hand­bibliothek Fontanes wird der Blick des Nutzers auf die Sammlung durch die visuelle Modellierung geformt und gelenkt: So wie sich die Handbiblio­thek hier den Nutzern zeigt, hat Fontane seine Bibliothek selbst nie gese­hen. Vielmehr ist der hier präsentierte Ausschnitt mit all seinen facetten­artigen Zugängen eine Repräsentation unseres heutigen Blickes auf diese spezielle Sammlung, wie sie zurzeit im Theodor-Fontane-Archiv aufbe­wahrt wird. Die Sammlung, die eine ihr eigene Geschichte aufweist, die durch Verluste, Schenkungen und Erwerbungen geprägt ist, ist daher als Konstrukt zu verstehen, das erst durch unseren Blick auf die Sammlung generiert wird. Die Handbibliothek präsentiert sich als dynamischer Wis­sensspeicher, in dem sich überlagernde Ordnungssysteme zeigen. Die Vi­sualisierung eröffnet vielfach andere Sichten auf das Material, als es eine herkömmliche Bücheraufstellung in einem Archiv könnte. Sie legt Phäno­mene offen, die sonst nur durch akribische Arbeit und Einzelvergleiche erkennbar wären, wie sie bei einer solch schutzwürdigen Sammlung nicht immer möglich sind. Zudem gewährt sie eine Gesamtschau auf die er­schlossenen Lektüre- und Bearbeitungsphänomene, die Fontane als ge­nauen, mitunter ironischen, mit abgewogenem Urteil sezierenden Leser und Arbeiter zeigen. Oder um es mit Fontane selbst zu sagen:»[] lesen ist nur ein Vergnügen, wenn man ganz frisch ist und jede Schönheit und jede Dummheit gleich voll genießen kann;[...].« 85