Fontane als Leser Busch 125 Fontane-Bibliographie online 82 und der Onlinepublikation der Fontane Blätter 83 ist sie die vierte Säule der Präsentation der Kernbereiche des Theodor-Fontane-Archivs im Netz. Die im diesjährigen Fontane-Jahr erfolgte wissenschaftliche Schwerpunktsetzung von Fontane als Medienarbeiter, 84 die auch seine Medienpraktiken des Exzerpierens, Notierens, Annotierens, Kompilierens, Redigierens und Korrespondierens in den Blick nimmt, erfolgt durch die Visualisierung der Handbibliothek auf zweifache Weise: Zum einen kann diesen medialen Phänomenen im Zeit- und Lebenszusammenhang Fontanesnachgespürt werden, zum anderen wird durch die digitale Transformation, also gleichsam durch den digitalen Blick auf das historische Material, eine Fragestellung evoziert, die auch eine Reflexion über die Funktionen des kulturellen Gedächtnisses im digitalen Zeitalter notwendig macht. Daran schließt sich auch die Standortbestimmung einer Institution wie der des Theodor-Fontane-Archivs unter veränderten(digitalen) Vorzeichen an: Die neuen digitalen Instrumente verändern eben nicht nur die Fragestellungen, sondern auch die Annäherung an die Gegenstände und das ihnen entgegengebrachte Verständnis. Im konkreten Fall der Visualisierung der Handbibliothek Fontanes wird der Blick des Nutzers auf die Sammlung durch die visuelle Modellierung geformt und gelenkt: So wie sich die Handbibliothek hier den Nutzern zeigt, hat Fontane seine Bibliothek selbst nie gesehen. Vielmehr ist der hier präsentierte Ausschnitt mit all seinen facettenartigen Zugängen eine Repräsentation unseres heutigen Blickes auf diese spezielle Sammlung, wie sie zurzeit im Theodor-Fontane-Archiv aufbewahrt wird. Die Sammlung, die eine ihr eigene Geschichte aufweist, die durch Verluste, Schenkungen und Erwerbungen geprägt ist, ist daher als Konstrukt zu verstehen, das erst durch unseren Blick auf die Sammlung generiert wird. Die Handbibliothek präsentiert sich als dynamischer Wissensspeicher, in dem sich überlagernde Ordnungssysteme zeigen. Die Visualisierung eröffnet vielfach andere Sichten auf das Material, als es eine herkömmliche Bücheraufstellung in einem Archiv könnte. Sie legt Phänomene offen, die sonst nur durch akribische Arbeit und Einzelvergleiche erkennbar wären, wie sie bei einer solch schutzwürdigen Sammlung nicht immer möglich sind. Zudem gewährt sie eine Gesamtschau auf die erschlossenen Lektüre- und Bearbeitungsphänomene, die Fontane als genauen, mitunter ironischen, mit abgewogenem Urteil sezierenden Leser und Arbeiter zeigen. Oder – um es mit Fontane selbst zu sagen –:»[…] lesen ist nur ein Vergnügen, wenn man ganz frisch ist und jede Schönheit und jede Dummheit gleich voll genießen kann;[...].« 85
Heft
(2019) 107
Seite
125
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