Heft 
(2019) 107
Seite
158
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158 Fontane Blätter 107 Labor Themenschwerpunkte der Fontane-Forschung Daten 5: Sekundärliteratur zu einzelnen Themen(Kat. 23) Ein Grund für die Erfolgsgeschichte von Effi Briest(allerdings nicht für den relativen Abstieg in den 2000er-Jahren) mag in der Zunahme jener Forschung liegen, die die Fontane-Bibliographie in der Kategorie 23/8 »Frauenbild, Sexualität, Genderfragen« 20 verzeichnet. Die Kategorie 23/8 gehört zu insgesamt 10 Unterkategorien der Kategorie 23»Zu Fontanes Weltbild und Lebensanschauung«, die so etwas wie eine thematische Er­schließung der Sekundärliteratur leistet. Dominant ist demnach, wie Abb. 11 zeigt, die Forschung zum Politischen bei Fontane. Wiederum differenziert sich das Bild, betrachtet man den historischen Verlauf(Abb. 12, geglättet mit moving average). Sichtbar wird so nicht nur die Diskussion um antisemitische Stereotype bei Fontane, die von Michael Fleischers Kommen Sie, Cohn. Fontane und die ›Judenfrage‹(Berlin 1998) maßgeblich angestoßen wurde, sondern auch die seit Mitte der 70er-Jahre ansteigende, ›um 1990‹ sogar kurzfristig das Niveau der Politik erreichen­de Aufmerksamkeit der Forschung für Genderfragen im weiteren Sinne, die sich nicht zuletzt als ein Motor auch für die oben beobachtete, bemer­kenswerte Resonanzgeschichte von Effi Briest deuten lässt. III. Ausblick Statistische Auswertung wie die zuletzt angeführte deuten zugleich auf die Grenzen einer quantitativen Forschungsgeschichtsschreibung hin, wie sie im Zurückliegenden mit den Mitteln der bibliometrischen Analyse in ers­ten Ansätzen skizziert wurde. Denn gerade die Bestimmung von Themen basiert auf kaum vollständig zu formalisierenden Zuordnungsakten, im Gegenteil: Diese Zuordnungen sind interpretatorische, ja teils selbst wie­derum politische Akte. Mit anderen Worten: Während sich die Zuordnung einer Forschungspublikation zum ›erzählerischen Werk‹, zur ›Lyrik‹, zur ›Publizistik‹ o.Ä. noch in der Regel konsensfähig vornehmen lässt, fällt die Bestimmung thematischer Schwerpunkte von Forschungsarbeiten not­wendig in den Bereich der diskutablen, mithin streitbaren Interpretation. Nach welchen Kriterien fällt ein Text in die Kategorie ›Politik‹, nach wel­chen Kriterien in die Kategorie ›Gesellschaft‹? Gehört eine Forschungsar­beit zum ›Gesellschaftskritiker Fontane‹ in die eine oder in die andere Ka­tegorie? Oder in beide? Und widmen sich nicht Texte, die Fragen der sozialen Semantik von Geschlechterrollen nachgehen, mithin im Sinne der gender studies forschen, per se politischen Themen? Ganz zu schweigen von Arbeiten, die den antisemitischen Vorurteilen Fontanes nachgehen?