186 Fontane Blätter 107 Informationen Tagungsbericht: Randkulturen. Lese- und Gebrauchsspuren in Autorenbibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts, 15.-17. November 2018, ETH Zürich Kristina Genzel Die Erschließung und Erforschung von Lese- und Gebrauchsspuren stellt ein aufblühendes Feld der archivarischen und bibliothekarischen Auseinandersetzung mit nachgelassenen Autorenbibliotheken dar. Insbesondere in Anbetracht des anhaltenden Interesses an der Schreibprozessforschung stehen gegenwärtig Quellentypen wie die Autorenbibliothek im Zentrum der literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung. Sie erlauben einen Einblick in den Ideenfindungsund Arbeitsprozess eines Autors und besitzen dabei einerseits besondere Aussagekraft durch ihre Provenienzmerkmale, die auf den Besitz des Autors verweisen und gleichzeitig Informationen zu einer Institutionsgeschichte liefern können. Zum anderen können sich Autorenbibliotheken durch Gebrauchs- und Lesespuren auszeichnen, die womöglich Aufschluss über den Umgang mit und über die Lektüre von Büchern eines Autors geben. Auch die vom Theodor-Fontane-Archiv bewahrte Autorenbibliothek Theodor Fontanes weist Widmungen, Besitzvermerke, Exlibris, Stempel und Signaturen auf, die Provenienzketten aufschlüsseln können und historisch-politische Institutionengeschichte greifbar werden lassen. Besonders interessant sind die in Fontanes Bibliothek enthaltenen Gebrauchs- und Lesespuren, die sie damit zu einem Ort des materialisierten Erfindungs- und Schreibprozesses Fontanes machen. In diesem Zusammenhang wurde in einem Kooperationsprojekt des Theodor-Fontane-Archivs und der Fachhochschule Potsdam ein Prototyp zur digitalen Präsentation von FontanesHandbibliothek entwickelt, der neue visuelle Zugänge zu dieser Sammlung möglich macht. Parallel dazu widmete sich die vom 15.11. bis 17.11.2018 in Zürich stattfindende − und von der Professur für Literatur- und Kulturwissenschaft und der ETH Zürich, namentlich Anke Jaspers, Manuel Bamert, Martina Schönbächler und Victoria Laszlo unter der Verantwortung von Prof. Dr. Andreas Kilcher veranstaltete und vom Schweizer Nationalfonds geförderte − Tagung»Randkulturen. Lese- und Gebrauchsspuren in Autorenbibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts« wesentlichen Fragekomplexen: Entsprechend des von den Veranstaltern vorgelegten Konzepts beschäftigten sich die ReferentInnen ausgehend von Lesespuren im engeren Sinn mit der grundsätzlichen Frage(1) nach dem textuellen Einfluss auf Werke von AutorInnen und hinterfragten die Aussagekraft von Gebrauchsspuren im weiteren Sinn. Ferner galt es(2) die Rolle der materiellen Textualität für Lektürepraktiken zu überprüfen und dabei insbesondere den Zusammenhang von Textsorten und Lesespuren näher zu betrachten. Schließlich wandte sich die Tagung den Fragen zu, ob sich basierend auf signifikanten Lese- und Gebrauchsspuren(3) Profile einzelner Autorenbibliotheken erstellen lassen und wie sich von den auf einer großen Datenmenge beruhenden Einzelprojekten eine übergeordnete Typologie von Lese- und Gebrauchsspuren generieren lässt. Im Hinblick darauf wurde zudem das Verhältnis zwischen der Untersuchung von Lesespuren und der Intertextualitätsforschung thematisiert. Hinsichtlich des textuellen Einflusses von Lesespuren auf die Textproduktion eines Autors sei zunächst auf Uwe Wirths(Gießen) theoretisch angelegten Eröffnungsvortrag»Lektüre als Inskription« verwiesen, der die Funktion von Lese
Heft
(2019) 107
Seite
186
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