Heft 
(2017) 103
Seite
12
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12 Fontane Blätter 103 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Fünf Schlösser. Die hier kurz skizzierten Lese-Szenen entsprechen durch­aus dem, was Fontane bereits 1857 gegenüber seiner Frau formulierte, dass nämlich das Beste, was er wisse, sich aus Umgang, Erzählung und Lektü­re herleite. 15 Sein Schopenhauer-Bild speiste sich aus Eindrücken, die er in Sommerfrische-Gesellschaften, abendlichen Lese-Zirkeln und nicht zuletzt durch Mittelsmänner(wie Windel und Wiesike), also keineswegs»nur« aus Lektüren, wozu neben den Werken Schopenhauers selbstverständlich auch Zeitschriften und Zeitungen zu zählen sind, gewonnen hatte. Schopen­hauer war ein Medienereignis, seit John Oxenfords Rezension in der West­minster Review 1851 die Bände Parerga und Paralipomena schlagartig be­rühmt gemacht hatte, 16 und der medienversierte Fontane nahm ihn in der medialen Breite seiner Wirkung wahr. Die Edition der Exzerpte wäre also als eine Facette im facettenreichen Spektrum einer medial begriffenen Schopenhauer-Rezeption zu lesen. Anknüpfend an Wolfgang Raschs Aus­führungen zu Fontanes Bibliothek 17 und Petra McGillens Überlegungen zu Fontanes Lesepraxis als multimediales Bibliotheksnetzwerk 18 wäre Fontanes ­Schopenhauer-Lesepraxis zu verstehen als eines der Verfahren seiner media­len Verarbeitung des Phänomens Schopenhauer. Nicht zuletzt Fontane selbst ermutigt uns zu dieser Perspektive, wenn er seine eigenen Leseeindrücke unmittelbar notierend reflektiert. Unter dem angedeuteten performativen Aspekt des Schopenhauer-Lesens kommt der Text, aus dem exzerpiert wird, als Bezugsgröße und Anlass für annotierende Bemerkungen ins Bild. Das exzerpierende und annotierende Lesen geschieht immer, und insbesondere bei ­Fontane, in Beziehung zum exzerpierten Text, wobei die Lese-Szene 19 ge­legentlich von Fontane wiederum im Text reflektiert wird. 20 Was las Fontane aus den Parerga und Paralipomena und was nicht? Fontane exzerpierte aus der Erstausgabe von Wilhelm Gwinner: Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt. ein Blick auf sein Leben, seinen Charakter und seine Lehre. Leipzig: Brockhaus 1862(im Folgenden: Gwinner. Kapitel-Nr. Titel, Seite) und aus Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena: Kleine philosophische Schriften(1851). Zweite, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage, aus dem handschriftlichen Nachlasse des Verfassers hrsg. von Julius Frauenstädt. 2 Bde. Berlin: A. W. Hayn 1862 (im Folgenden: Parerga I bzw. II. Kapitel.§, Seite). Die Nachweise werden vor der Belegstelle genannt. Während die Notate aus Gwinner sich auf sämtliche Kapitel des Buches und darunter am häufigsten auf das Kapitel 6. Wer er war beziehen, liegt der Schwerpunkt bei den Bänden Parerga und Paralipomena deutlich auf dem 2. Band. Da wir naturgemäß von Lektüren nur wissen, wenn sie in ir­gendeiner Form erwähnt werden, so sollte auch im Falle der Schopenhauer-