Heft 
(2017) 103
Seite
92
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92 Fontane Blätter 103 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Spanischen Erbfolgekrieg nach der verlorenen Schlacht bei Höchstädt un­ter kaiserlicher, österreichisch-habsburgischer Verwaltung, die das Land rücksichtslos auspreßte) im Dorf Sendling bei München, auf dem Friedhof der Pfarrkirche, in der Christnacht niedergemetzelt diese Bayern, so die Lesart der Sendlinger Schlacht seit dem frühen 19. Jahrhundert, bezahlten ihre Treue zu den Wittelsbachern, ihrem angestammten Herrscherhaus, mit dem Leben. 59 Hier hätte Fontane dem bayerischen Volk in seinem he­roischen Eintreten für ein wittelsbachisch regiertes Bayern, das sich gegen Übergriffe des machtlüsternen Österreich wehrt, ein balladeskes Denkmal setzen können. Kurz: Die von Heyse vorgeschlagenen bayerischen Balladenstoffe hätten es dem Dichter des Archibald Douglas erlaubt, als ein ›Berufener‹, den man der preußischen Hauptstadt Berlin hatte abwendig machen können, in »feine[r] und volksthümliche[r] Behandlung der historischen Ballade« 60 ein Bayern zu modellieren, das sich gegenüber Österreich als politische Macht in Deutschland behauptet und das sich dabei, fast eine Quadratur des Kreises, sowohl christkatholisch-volkstümlich als auch gerade nicht ultra­montan ausnimmt. Das hätte den Interessen der zumeist protestantischen ›Berufenen‹ entsprochen, hätte römisch-katholische Altbayern nicht ver­schreckt und das Interesse des Königs an ruhmvoller Darstellung seines Staats präzise im Sinne seiner Triaspolitik bedient. Fontane hätte demnach, wenn es Heyse gelungen wäre, ihm in München ›einen guten Posten‹ zu verschaffen, dezidiert als historischer Balladen­dichter in der bayerischen Residenz unter den ›Nordlichtern‹ An- und Frontstellung bezogen. Der Münchner Archibald Douglas führt also mit den bayerisch-balladesken Perspektiven, die sich an ihn knüpften, zuletzt auf die historische Ballade als eine(kultur)politische Praxis, als ein Instru­ment im Wettbewerb um historiographische Deutungshoheit und ›richtige‹ Konstruktion von Wirklichkeit. 61 In dieser Hinsicht sollten wir Heutigen, die wir uns in gewandelten Formationen der Wissenserzeugung bewegen, die Ballade des 19. Jahrhunderts nicht unterschätzen 62 deren historische diskursive Relevanz zu würdigen uns der zweite Erstdruck des Archibald ­Douglas anhält.