Heft 
(2017) 103
Seite
126
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126 Fontane Blätter 103 Rezensionen und Annotationen Fontanes Erzähl-Fragmente erstmals vollständig Theodor Fontane. Fragmente. Erzählungen, Impressionen, Essays. Im Auftrag des Theodor-Fontane-Archivs hrsg. von Christine Hehle und Hanna Delf von Wolzogen. Band I: Texte; Band II: Kommentar. Berlin, Boston: de Gruyter 2016. XLIV, 456; XII, 464 S. 248,00 Ein neuer Fontane ist auf dem Markt: zwei Bände von je 460 Seiten. Unter dem allzu sachlichen Titel Fragmente haben die Herausgeberinnen zusammengetragen, was an Erzählfragmenten sowie fragmentarischen Impressionen und Essays überliefert und in den Handschriftenbeständen deutscher Archive und Bibliotheken verwahrt ist: in der Berliner Staats­bibliothek, im Fontane-Archiv Potsdam, im Deutschen Literaturarchiv Marbach und im Goethe-Schiller-Archiv in Weimar. Tatsächlich also Neues vom alten Fontane? Ja und nein. Das inhaltlich Relevante dieser Sammlung hat die Fachwelt schon vor Jahren zur Kenntnis genommen; es findet sich verstreut und mitunter in unzulänglicher Version in den Editionen von Nymphenburger, Hanser und Aufbau. Nun aber wird das gesamte Material, das der Erzähler Fontane an begonnenen Projekten, an Skizzen und Notizen, an Ideen und Einfällen, an Dialogen und Handlungssträngen notiert hatte, erstmals vollständig(nach gegenwärtigem Kenntnisstand) und in einer überschaubaren Anordnung präsentiert und kommentiert. Und es sind immerhin 76 bisher ungedruckte Texte hinzugekommen, meist kürzere, oft nur wenige Zeilen umfassende Notate von unterschiedlichem Gewicht. Und diese Fülle des gebündelten Materials wird Forscher und Fans zweifellos beeindrucken, denn es tut sich ein nicht geläufiger Kosmos auf. Es ist die Vielfalt der thematischen Facetten, die Opulenz von Stoffen und Figuren, die(wie es die Einleitung von Hanna Delf von Wolzogen überzeugend darlegt) jenes literarische »Arsenal« in dem»kleinen Schriftsteller-Laden« in der Potsdamer Straße bildete und dem Erzähler das superiore Gefühl suggerierte:»die Scheuer ist gut gefüllt; solange ich lebe, habe ich genug zu schreiben«. Fontane war zwar ein fleißiger Arbeiter, aber kein besonders logisch und systematisch arbeitender Autor, und da er ohnehin von der zeitlich sehr begrenzten Dauer seines Nachruhms überzeugt war, hat er auch nie an seine künftigen Herausgeber gedacht und folglich kein Inventarverzeichnis für das Sammelsurium jenes»Arsenals« hinterlassen. Friedrich Fontane und Hermann Fricke haben das nachzuholen versucht und eine»Liste der für eine Gesamtpublikation in Frage kommenden Novellen, Noveletten, Skizzen und Entwürfe« angelegt, die die Herausgeberinnen zur Kontrolle heranziehen konnten. Datierungen sind in den meisten Fällen äußerst schwierig. Der früheste Beitrag, Der Karikaturist, stammt schon aus den vierziger Jahren