Heft 
(2017) 103
Seite
142
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142 Fontane Blätter 103 Vermischtes George Fontanes Briefe an das»liebe Ludchen«, jugendlich-salopp, humor­voll oft und ebenso oft verzweiflungsvoll, öffnen zusammen mit Briefen des Vaters den Blick des Jungen und des Alten aufeinander. Dieser Blick führt zum Denken, Sprechen und Handeln des Vaters bis in dessen Romanwelt hinein und wieder zurück zum Sohnesschicksal. Ja, man kann sagen: Ohne die einsame Entscheidung des Vaters wären Briefe des Sohnes von ande­rem Inhalt und Klang gewesen als dem, der uns jetzt vorliegt. Gehen wir also mitten hinein in Georges Leben. Wir sind im August 1877. Theodor Fontane besucht seinen Ältesten, preußischer Leutnant sei­nes Zeichens, in dessen Magdeburger Garnison. Nur eine Stunde haben sie Zeit für Gespräch, Kaffee, Kuchen und Bier. Dann reist der Vater weiter nach Thale im Harz. Was mögen die beiden besprochen haben? Fontane schreibt seiner Frau einen Tag später, der Sohn habe ihm Speis und Trank spendiert, so etwas müsse man ja mitnehmen. Von George habe er wie im­mer einen freundlichen Eindruck gehabt, auch wenn ein wenig Befangen­heit dabei gewesen sei, eine familiäre Spezialität. Außerdem: Väter genier­ten immer, so sei es ihm schon mit dem eigenen Vater ergangen. 6 Danach muss es ein heiteres Zusammentreffen zwischen dem 57jährigen und sei­nem Sohn gewesen sein, wenige Tage vor dessen 26. Geburtstag. Aber nein, so glauben wir vermuten zu dürfen, dies und so viel Munter­keit wird wohl nicht alles gewesen sein. Hinter Fontanes Humor in Briefen verstecken sich oft Probleme eigener Befindlichkeit. Hat der Sohn nicht auch etwas zu dieser Begegnung gesagt? Zum Beispiel in dem langen Brief an seine Mutter vier Tage später? Wir wissen es nicht, denn dieser Brief gehört zum verschollenen Briefkonvolut. Hören wir aber die Version aus der Feder Georges in einem seiner Briefe an die vier Jahre ältere Ludovica Hesekiel, geschrieben zwei Wochen nach der Begegnung mit dem Vater: »Mein armer Papa ist körperlich und besonders geistig so herunter, daß wir alle ernstliche Besorgnisse hegen. Was das schlimmste ist, ihn verläßt sein frischer froher Muth und meine Mama die bekanntlich die Dinge sehr schwer nimmt scheint ihn mit ihrer hypochondrischen Neigung angesteckt zu haben. Er war vor ungefähr 14 Tagen auf der Durchreise nach Thale und habe ich ihn eine Stunde lang gesprochen. Er machte einen verzagenden Eindruck, wie wenn er sich selbst garnichts zutraute. Er verzweifelte am Gelingen ja sogar an der Vollendung seines Romans[ Vor dem Sturm] etc. etc. So schlimm, wie ihn mir Mama geschildert hatte, war er allerdings nicht; die berliner Nachrichten sind nicht nur schwarz gefärbt, sondern durch und durch mit den allerschwärzesten Farben getränkt. Hoffentlich wird die frische Harzluft seine gesunkenen Lebensgeister wieder auf den Damm bringen.« 7 Die Vermutung ist vielleicht nicht allzu kühn, dass der Vater trotz der knappen Zeit auch ein ernstes Wort zur militärischen Karriere des Sohnes hinterlegt hat. Aus Briefen wissen wir, dass Georges Absolvierung der