Unveröffentlichte Briefe von Emilie Rouanet-Kummer und Theodor Fontane an Karl Wilhelm und Bertha Kummer 1
Herausgegeben und kommentiert von Joachim Schobeß (Potsdam)
Meine lieben Eltern.
[Letschin, 31. 12. 1846]
Heut abend verläßt uns Max 2 , sonst hätte ich schon heut früh einen Brief an Euch abgeschickt, so erhaltet Ihr ihn zum neuen Jahr. Daß ich jetzt viel, sehr viel jetzt Eurer meiner Geliebten denke, ist wohl natürlich, aber auch viele, viele Wünsche für Euch u. Eure Zukunft gesellen sich dazu; daß alles Unangenehme u. Betrübende mit dem guten Schluß des Prozesses 3 auch mit dem Schluß des alten Jahres vorbei sei, kann ich bei der Einsicht der Unmöglichkeit nicht wünschen, wohl aber, daß Euch, meine Lieben, recht bald klar werde, was das Richtige ist zu tun, auf daß Ihr beide baid alles beseitigt u. dann auch vergessen könnt. Möge der liebe Gott vor allem, mein Väterchen, Deine Gesundheit kräftigen, u. Dir, meiner einzig guten Mutter, Deinen Mut und Glauben unbenommen lassen, dann sind mit den besten Wünschen für unseren lieben Jungen Adelbert 4 meine Hoffnungen für Euch erfüllt. Heut früh hatte ich eine recht große Freude, Max brachte mir einen Brief mit rot Couvert; ich wußte gleich, er war von meinem lieben, lieben Herrmann 5 . Er schreibt so, wie er immer gegen mich ist, liebevoll u. herzlich, ganz ein wahrer Bruder; wie macht mich seine Liebe so glücklich, wie will ich sie mir aber auch für das ganze Leben bewahren. Grüßt ihn bei seiner Zurückkunft rechtherzinnig von mir u. sagt ihm, daß Mila® jetzt recht wohl u. munter. Nach Tisch gehen wir immer spazieren u. genieße ich dabei noch das besondere Vergnügen, schlittern zu können. Gestern, an meines Theo’s Geburtstag, waren wir sehr heiter u. vergnügt; mein Schatz hatte große Freude über seine Geschenke; recht viel haben wir Eurer gedacht. Wie geht es denn Euch? meine liebe gute Mutter u. Du, mein Väterchen, schreibt doch recht bald einmal an Eure Mila, freundlich u. liebevoll wie immer, das macht mir ja doch immer eine große Freude. Wenn Ihr Fontanes 7 seht, so bitte grüßt namentlich Röschen; Pinchen u. August haben zu sehr auf meinen Theodor geschimpft, als daß ich ihrer sehr liebevoll gedenken könnte, Max wird Euch wohl das Nähere erzählen. Meine Lieben, hier grüßen Euch u. auch mein Brüderlein Herrmann aufs herzlichste nebst den innigsten Glückwünschen zum neuen Jahr. Ich aber umarme Euch alle mit der größten Herzlichkeit, natürlich auch klein lieb Adelbert u. bitte Euch stets lieb zu behalten Eure Euch ergebene Emilie.
Für Mutter
Was wir säen, ernten wir Allezeit hienieden:
Und dem Guten wird schon hier Frucht u. Lohn beschieden;
Sieht er vieles sich versagt,
Wird ihm viel genommen, —
Hoffen darf er unverzagt,
Seine Zeit wird kommen.