neben der späten Profllaufnahme, die den Nachlaßband schmückt. Man vergleiche das blasse, kränklich-schwärmerische und ein bißchen fade Antlitz von dazumal mit dem prachtvollen, fest, gütig und fröhlich dreinschauenden Greisenhaupt, um dessen zahnlosen, weiß überbuschten Mund ein Lächeln rationalistischer Heiterkeit liegt, wie man es auf gewissen Altherren-Porträfcs des achtzehnten Jahrhunderts findet, — und man wird nicht zweifeln, wann dieser Mann und Geist auf seiner Höhe war, wann er in seiner persönlichen Vollkommenheit stand.“ 3 1954 werden Fontanes Briefe für Thomas Mann abermals zum Anlaß, sich über den Tonfall von Fontanes Briefstil auszusprechen und diesen, wenn auch mit einer geringen Nuance der Distanz im Vergleich mit dem Essay aus dem Jahre 1910, zum Tonfall der männlichen Hauptgestalten seines Alterswerks in Beziehung zu setzen. Über die Ausgabe der Briefe an Friedlaender schreibt Thomas Mann in der Zürcher .Weltwoche“ (Jg. 22, Nr. 1056 vom 5. Februar 1954) folgendes: ,Der Band ist mit einigen vorzüglichen Porträts geschmückt, darunter mit zweien des Dichters: Liebermanns meisterhafte Skizze vom Jahr 1896 und der Kreidezeichnung des Menzel-Schülers Fritz Werner (.. ,)“. 4 Diese Skizze war für Thomas Mann nicht der erste Anlaß, über eine Beziehung zwischen Fontane und dem Maler Max Liebermann zu sprechen. Als Max Liebermann am 20. Juli 1927 seinen achtzigsten Geburtstag feierte, brachte Thomas Mann ihm eine schriftliche Huldigung dar. Diese Huldigung enthält eine Aufzählung von charakterologischen Hauptmerkmalen der Stadt Berlin, des Malers Liebermann und des Dichters Fontane. Beiden, Liebermann und Fontane, gilt Thomas Manns Liebe aufgrund dieser Merkmale im gleichen Maße: ,Ich habe Fontane einen Sänger genannt, der zu klönen schien. Ein verwandter Reiz der Heimlichkeit geht von der Größe Liebermanns aus, die nie der .Wände“ bedurfte und deren Geistigkeit jeden Augenblick bereit scheint, Esprit und fontanische Plauderei zu werden.’ 5 Die von Thomas Mann erwähnte Skizze Liebermanns, die im Band der Briefe an Georg Friedlaender abgedruckt wurde, da sie ein aktuelles Bildnis des Briefpartners Fontane verschafft, war eine Vorstudie zu einer anderen Kreidezeichnung.
In einem Brief vom 19. März 1896 an die Tochter Mete schreibt Fontane: ,Ich gehe, wie Dir Mama wohl schon geschrieben hat, unruhigen Tagen entgegen, Sitzungstage, Maltage. Ich freue mich aber drauf, einmal weil es nun doch endlich mal ein richtiger Maler ist, dem ich in die Hände falle, dann weil Liebermann ein ebenso liebenswürdiger wie kluger Mann ist. —“ 6 Das Resultat dieser Sitzungstage, die bezeichnenderweise in der Korrespondenz mit dem Schmiedeberger Freund Georg Friedlaender nicht erwähnt werden, waren zwei Kreidezeichnungen, von denen die zweite, in lithographierter Form, wohl das bekannteste Bildnis Fontane überhaupt geworden ist.' In der Zeitschrift ,Pan“, die im Verlag F. Fontane & Co — Berlin erschien, wurde Liebermanns Lithographie 1896 veröffentlicht (1. Hälfte des 2. Jahrgangs, 1. und 2. Heft, Mai bis Oktober 1896, vor S. 1). 1899 brachte diese kostbar ausgeführte Zeitschrift Autobiographisches und Gedichte aus Fontanes Nachlaß.
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