Heft 
(1977) 26
Seite
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Mit der zweiten Zeichnung Liebermanns war Thomas Mann bereits 1947 in Berührung gekommen. Vermittler war dabei ein Mann, dessen um­fangreiches Porträtwerk nachhaltig von Max Liebermann beeinflußt wurde: Paul Citroen. In das Jahr 1934 fällt der erste schriftliche Kontakt des am 15. Dezember 1896 geborenen niederländischen Malers mit dem von ihm bewunderten Dichter Thomas Mann. Die erste persönliche Begegnung zwischen Thomas Mann und Paul Citroen im Jahre 1936 in Küßnacht war für Thomas Mann Anlaß, gegenüber dem Maler seine Begeisterung über das von diesem gezeichnete Porträt (1935) der Tochter Erika zum Ausdruck zu bringen. Citroen hatte jedoch mehr im Sinne als die Kinder Thomas Manns zu malen und zu zeichnen. Er wollte Thomas Mann selber zeichnen. Dies gelang 1939, als Thomas Mann und seine Frau Katja ihren Urlaub an der niederländischen Nordseeküste verbrachten. Dazu heißt es in einem 1957 veröffentlichten Aufsatz Citroens: .Thomas Mann hatte ein für einen Porträtisten besonders .schwieriges Gesicht, es war zusammengesetzt aus verschiedenen, sich widersprechenden Elementen, es war bestimmt kein typisches Schrift­stellergesicht, man konnte seinen Besitzer für einen Diplomaten halten oder für einen Wissenschaftler, für einen Bankdirektor oder auch für einen pensionierten Militär. Wenn wir nicht sein Werk hätten, dieses wundervolle Gleichnis tief-menschlichen Kämpfertums, voll höchster Intelligenz, könnten wir aus seinem Gesicht niemals ,klug werden, und ich muß bekennen, daß es für mich stets etwas Rätselhaftes, Selt­sames behielt, das über meine Begriffe ging. Ich habe ihn porträtiert, nicht weil sein Gesicht sich zum Abbilden eignete es war im Gegen­teil ausgesprochen ungeeignet dafür sondern weil ich seinen Geist bewunderte und liebte. 8 Die Zeit bis 1945 war eine abrupte Unter­brechung des immer intensiver werdenden Kontaktes zwischen Citroen und Thomas Mann. Nach dem zweiten Weltkrieg ergriff Paul Citroen die Initiative zu ereneutem Kontakt. Anläßlich eines Briefes vom 12. November 1945, den Thomas Mann ihm von Kalifornien aus schrieb, heißt es bei Citroen im bereits erwähnten Aufsatz: ,Gezaust und gerupft kamen wir aus der Blutzeit wieder zum Vorschein. Von dem Mann aber, der uns als ein Lebender, als .eine Stimme aus Amerika in diesen Jahren moralisch die größte Stütze gewesen, kam folgendes, mir zu Herzen gehendes Schreiben (.. .) 9 1947 porträtierte Citroen Thomas Mann zum zweiten Mal bei Gelegenheit eines neuen Nordseeaufenthaltes des Ehe­paares Mann in Noordwijk aan Zee. Im gleichen Jahr kaufte Citroen in der Kunsthandlung De Bois in Haarlem die Fontane-Lithographie Liebermanns. Für ihn war Liebermann keine unbekannte Größe, er hatte Liebermann als fünfzehnjähriger Junge in Berlin persönlich gekannt. Als Citroen im Herbst 1947 Thomas Manns Essay ,Der alte Fontane wieder einmal las, stand sein Entschluß fest. Er schickte die Lithographie nach Kalifornien. Zweimal dankte ihm Thomas Mann für dieses Geschenk. Er schrieb an Citroen am 2. und 22. November 1947. Der Wortlaut der beiden Briefe, die hier zum ersten Mal gedruckt wer­den, ist folgender:

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