Heft 
(1978) 27
Seite
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In der Berichterstattung über die Berliner Kunstausstellung von 1864 nimmt die kritische Auseinandersetzung mit dem Kolorismus in der Landschaftsmalerei einen verhältnismäßig großen Raum ein. Er leitet seine Gedanken damit ein, daß das Entstehen der koloristischen Schule in der Landschaftskunst noch unausbleiblicher als in der Genremalerei gewesen sei, denn die Landschaftskunst sei noch mehr als alle anderen Zweige der Malerei auf die Farbe angewiesen. Dennoch erkennt er den Fortschritt in der Entwicklung von der Stimmungslandschaft zur koloristischen Landschaft nur bedingt an.Die ,Stimmung*, schreibt er, weil sie dem Geistigen näher steht als das bloße Treffen der Farbe, wird an und für sich immer ein Höheres sein; aber man darf das Höhere erst wollen, wenn man das minder Hohe hinter sich hat. Das war früher nicht der Fall. Man gab 'Waldesstimmung, ohne Wald geben zu können. Man war auf das Innerliche aus, ohne das Äußerliche der Landschaft bezwungen zu haben. 63 Aufgabe der Koloristen wäre es nun, die Mög­lichkeiten der Färb- und Lichteffekte zu erproben.

Er sieht im Kolorismus eine Art Durchgangsstadium, das zu einer durch gründliches Naturstudium besser fundierten neuen emotional ausdrucks­starken Landschaftsmalerei führen soll. In seinen Argumentationen gegen den Kolorismus verbindet sich immer wieder die Klage über das Fehlen der Stimmung mit dem Vorwurf eines übertriebenen Naturalis­mus, der Beschränkung auf die Wiedergabe bloßer Naturwahrheit. Das erschien ihm in der Landschaftsmalerei gleichbedeutend mit Gefühls­armut, Häßlichkeit, und damit entbehrte sie für ihn des eigentlichen künstlerischen Wertes. Das Erfassen und die Wiedergabe emotionaler Werte war für Fontane ein letztlich unentbehrliches Kriterium qualität- voller Landschaftsmalerei. Der Verzicht darauf kam für ihn dem Ver­zicht auf die künstlerische Verklärung gleich und damit der Absage an die Schönheit und künstlerische Wahrheit.

Er hoffte deshalb, daß dieses koloristische Durchgangsstadium bald überwunden wird. Zu Schirmers biblischen Landschaften schreibt er: Die Teilnahme, die diese Schirmerschen Landschaften wecken, erscheint uns als ein bemerkenswertes Zeichen. Wenn wir es deuten dürfen, so heißt es: die Tage der Koloristen sind gezählt. Sie haben ihre Mission nahezu erfüllt. Diese Mission, zusammenfallend mit dem Realismus [gemeint Naturalismus] in der Kunst überhaupt, war wichtig, war uner­läßlich; aber sie war schwerlich letztes Ziel. 64

Fontanes Ausstellungsbesprechungen aus den siebziger Jahren sind allgemein und auch was die Landschaftsmalerei angeht weniger ergiebig. Sie sind, von Ausnahmen abgesehen, kürzer und man spürt ihnen an, daß Fontane Ludwig Pietsch, zu dessen Ressort die Ausstellungskritiken gehörten, nur gelegentlich vertrat.

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