Heft 
(1978) 27
Seite
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In dem Bericht über die Berliner Ausstellung von 1862 enthaltene Äußerungen Fontanes zeigen, daß er dennoch kein Verfechter des romantischen Landschaftsbildes war:Es bleibt ein Dunkel darüber, ob aus dem seelenvollsten Landschaftsbilde die Seele der Natur oder die Seele des Malers zu uns spricht; es bleibt ein Zweifel darüber, ob wir mehr einem Vorgefundenen Charakterzuge oder einer hineingetra­genen lyrichen Empfindung darin begegnen. Sollen wir persönlichst eine bestimmte Stellung zu dieser Frage einnehmen, so glauben wir allerdings an eine Seele, einen Charakter, eine Stimmung in der Natur, an eine Seele, die der Malei- so gut zu verstehen und zu erfassen bemüht sein muß wie der Porträtmaler die Seele dessen, den er zu malen hat. 110 Die romantische Landschaft fungiert als Stimmungsträger, Fontane aber verlangt vom Künstler, einer realistischen Konzeption folgend, nicht die Stimmung des Künstlers in die Natur hineinzutransponieren, sondern die Naturstimmung zu erfassen.

Fontanes Vorliebe für Landschaften von Andreas Achenbach, Eduard Schleich, Johann Wilhelm Schirmer oder Valentin Ruths erklären sich ebensowenig wie seine Vorbehalte gegen die Vertreter der neueren koloristischen Richtung aus typisch romantischen Auffassungen. Die von ihm geforderte emotionale Wirksamkeit ist nicht an die Romantik gebun­den, die Bedeutung, die er den Stimmungswerten in der Landschaftsmale­rei beimißt, erlaubt jedoch Parallelen zu seinen besonderen Romantik­vorstellungen, wie er sie etwa in dem AbschnittBei Hansen Grell und in anderen literaturtheoretischen Darlegungen zum Ausdruck gebracht hat.

W T enn er zur Landschaftsmalerei bekennt, er würde nochzu jener älteren Schule stehen, die von einer Landschaft vor allem Stimmung verlangt , m so ist dies auch als Reaktion auf die vielfach koloristisch brillianteren aber emotional flacheren Darstellungen der jüngeren Generation in den sechziger Jahren zu begreifen. Charakteristisch dafür sind Oswald Achenbachs Arbeiten, dessen Neigung zum koloristisch effektvollen Virtuosentum Fontane sehr genau empfunden hat. Begegnete ihm unter den Landschaftsbildem der neueren Schule indessen eines, das er für emotional aussagestark hielt, so war er bereit, es unabhängig davon, ob er es dem Kolorismus oder den Stimmungslandschaften zuordnete, voll und ganz zu akzeptieren. Das belegt eine Besprechung der Fluß­landschaften von Theodor Weber in der Berliner Ausstellung von 1864: Man könnte ihn, diesen Bildern nach, auf den ersten Blick den Stim- mungslandschaftem zuzählen; aber das wäre ein Fehler. Die Stimmungs­landschafter geben zum Teil die Stimmung, die in der Natur nicht immer da ist. Th. Weber fand die Stimmung vor, und wie er alles wiederzu­geben verstand, jede Färbung, jeden Ton der Natur, so auch ihre Stimmung. 62 Gleichzeitig zeigte sich in dieser Äußerung erneut das wurde in der Ausstellungsrezension von 1862 bereits deutlich daß Fontane die Möglichkeiten emotionaler Wirksamkeit in der Landschafts­kunst im Sinne der Romantik oder des Realismus durchaus bewußt waren.

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