Heft 
(1978) 27
Seite
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Vorliebe für die Romantik, für nordische Prinzessinnen und siegreiche Schlangentöter. Die besondere, typisch Fontanesche Romantikauffassung spricht vor allem aus seinen Bemerkungen über die Stimmung: Es ist jetzt Mode, von Stimmung zu sprechen und von In-Stimmung- Kommen. Aber das In-Stimmung-Kommen bedeutet noch nicht viel. Erst der, der die gekommene Stimmung: das rätselvoll Unbestimmte, das wie Wolken Ziehende, scharf und genau festzuhalten und diesem Festgehaltenen doch zugleich auch wieder seinen zauberischen, im Hell­dunkel sich bewegenden Schwankezustand zu lassen weiß, erst der ist der Meister. 58

In Fontanes Schriften zur bildenden Kunst werden seine besonderen Romantikvorstellungen vor allem in seinen Beiträgen zur Landschafts­malerei wirksam. Die Interpretation von Rudolf Fürst, Fontane hätte dabei im Banne der Romantik gestanden, ist nicht eigentlich zutref­fend, denn trotz romantischer Einflüsse liegen den Ansprüchen, die er an die Landschaftsmalerei stellt, doch so gewandelte umgeformte Ro­mantikvorstellungen zugrunde, daß sie als Bestandteil seines Realismus­begriffes verstanden werden müssen.

In den Berliner Gemäldeausstellungen der sechziger Jahre zeichnete sich auch in der Landschaftsmalerei mit Arbeiten von Eduard Hildebrandt, Oswald Achenbach u. a. schon jene Neigungen zu aufwendigen, effekt­vollen starkfarbigen Dekorationen ab, die in der Gründerzeit zur vollen Entfaltung gelangte. Diese Entwicklung war mit einem Zuwachs an naturalistischer Detailtreue und einem Verlust an emotionaler Aussage­kraft verbunden. Fontane geht darauf vor allem in seinem Beitrag Der Kolorismus in der Landschaftsmalerei 1864 ein. Er bevorzugte die Stimmungslandschaften der fünfziger Jahre, in denen noch Roman­tisches nachklingt, deren emotionale Wirkung aber zumeist stärker war. Andreas Achenbach, besonders seine frühen Arbeiten, Eduard Schleich und Valentin Ruths gehören dieser Richtung an.

Fontane hatte das Thema Kolorismus und Stimmungslandschaften schon in seinen englischen Kunstberichten angeschnitten, die allerdings auch in diesem Bereich noch viel Unsicherheit verraten. In der Rezension der Berliner Ausstellung von 1860 leitet er seinen Bericht über die Landschaftsmalerei mit der Klage über den Verlust an Stimmung ein: Wenn mich indes mein Auge und meine Enpfindung nicht täuschen, so fangen beinah alle unsere Landschaftsbilder an, das zu verlieren, was vor zehn und zwanzig Jahren ihren höchsten Reiz ausgemacht hat: Stimmung.® Der Einfluß Hildebrandts würde durch das Studium von Licht und Farbe der künftigen Landschaftsmalerei zwar zugute kommen, aber die gegenwärtige hätte durch diesen Einiluß doch an Poesie ver­loren. Einen Verlust an Stimmung stellt er auch bei den älteren Malern fest, er führt ihn darauf zurück, daß sie, was ihnen einst künstlerisches Anliegen war, nun als Geschäft betreiben würden und berührt damit Entwicklungstendenzen, die in den Gründerj ähren im Leben und Schaf­fen von Malern wie Anton von Werner oder Hans Makart scharfe Ausprägung erfuhren.

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