Heft 
(1978) 27
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den Glaubensschwestem wählend, geht mit der heiteren Frömmigkeit, die andere mit der dunkeläugigen Mystik. 50

Diese Haltung spiegeln auch die 1872 niedergesehriebenen Aufzeich­nungen über Achim von ArnimsDie Kronenwächter. Abgesehen von einzelnen Passagen, die er lobend hervorhebt, kommt er zu dem Schluß: cui bono?. 51 Fontane lehnt die übersteigerte Religiosität der deutschen Romantik ebenso ab wie ihre Mittelalterschwärmerei.Schrecklich ist es schreibt er,daß Arnim immer beten läßt. Wo wir sagen würden: er hoffte, oder wünschte oder fürchtete, da läßt Arnim seine Personen, namentlich Held und Heldin immer beten. 52 An anderer Stelle fragt er nach den Kriterien für wirkliche bürgerliche Freiheit, es sei dasEin- stehen für die idealen Güter der Menschheit.* 3 In der Folge befaßte er sich damit, inwieweit diese Kriterien für das Mittelalter zutreffen: Die antike Welt und das Mittelalter sind reich an solchen Erscheinun­gen. Aber das Mittelalter keineswegs überall ! Wenn W. Alexis uns für das Bürgertum Berlin Coellns von 1440 interessieren will, so tut er unrecht. Wir Anden da nur die häßliche Seite des Mittelalters: Be­schränktheit, Selbstsucht, Fehde um kleine Interessen... Diese rohe Sorte Freiheit... ist etwas Tierisch-Niedrigstehendes, Aößt mir gar kein Interesse ein und am allerwenigsten die Sehnsucht: solche Zeit möchte wiederkommen. 54

Zwanzig Jahre später schreibt Fontane über Alfred Doves Roman Caracosa, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts spielt, der Leser müsse empßnden,diese Zeit gefällt mir nicht; ich bin froh, daß sie zurückliegt . :A

InVor dem Sturm berührt Fontane das Thema der echten und falsdien Romantik in den KapitelnDoktor Faulstich undBei Hansen Grell. Die falsche Romantik wird durch Dr. Faulstich verkörpert, der für Novalis schwärmt und dieHymnen der Nacht gegen künstlerische Einwände mit dem Hinweis auf das Maß des Glaubens verteidigt:Es gibt auch eine Romantik des Klassischen aber die wirkliche Wiege und Wurzel alles Romantischen ist eben die Krippe und das Kreuz. In allem Schönsten, was die Schule geschaffen hat, klingt laut und leise dieser Ton, und die Sehnsucht nach dem Kreuz ist ihr Kriterium. 56 Die Frag­würdigkeit der Gedanken Faulstichs bringt Fontane dem Leser nahe, indem er diese romantische Schwärmerei mit der Persönlichkeit des Dr. Faulstich hart kontrastieren läßt. Er schildert ihn als einen Mann ohne Rückgrat, der der Tat ausweicht, inkonsequent ist, inmitten einer peinlichen Unordnung lebt und sich von der gewöhnlichen, aufdringlichen Sailerswitwe Frau Griepe beherrschen läßt. Zuletzt charakterisiert Faul­stich selbst seine Situation: ... alles Widerspruch und Gegensatz. Was Ihnen Freiheit dünkt, ist Abhängigkeit; wohin ich blicke, Disharmonie: gesucht und nur geduldet, ein Klippschullehrer und ein Champion der Romantik, Frau Griepe und Novalis. 57

Was Fontane unter echter Romantik versteht, verdeutlicht das Gespräch zwischen Hansen Grell und Lewin von Vietzewitz über Hölderlin. Hansen Grell, als Persönlichkeit integre, beispielgebend an Mut, gesteht seine

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