15 Jahre FONTANE-BLÄTTER
Im preziösen Festgewand, steifleinen und äußerlich gewichtig kommen sie einem nicht ins Haus, die Hefte und Broschüren des Potsdamer Fontane- Archivs. Wüßte man nicht, daß ihr spiritus rector — Herausgeber und Redaktor, Hersteller und Korrektor, Versand- und Werbeleiter in einem und zudem auch noch Autor und Bibliograph —, wüßte man nicht, daß Joachim Schobeß mit nüchternem Sinn für die Realitäten des Lebens die Not zur Tugend zu machen versteht, man wäre versucht zu glauben, er habe mit dem äußeren Gewand dieses Periodikums einen Charakterzug Theodor Fontanes symbolisieren wollen: den „fehlenden Sinn für Feierlichkeit“ ...
Was den FONTANE-BLÄTTERN an äußerer „Würde“ fehlen mag, das wird mehr als aufgewogen durch ihren Inhalt, ihre Substanz, ihren hohen Informationswert — mit einem Wort: durch ihre wissenschaftliche Solidität. Joachim Schobeß und seine redaktionellen Mitarbeiter — die, gleich ihm, diese Arbeit ehrenamtlich verrichten — haben darauf verzichtet, ihre Absichten und Ziele programmatisch zu verkünden. Bereits die ersten Hefte jedoch lassen deutlich eine Konzeption erkennen, der die Herausgeber in den bisher erschienenen dreißig Folgen und sechs Sonderheften der FONTANE-BLÄTTER treu geblieben sind. Da finden sich neben literaturgeschichtlichen Studien auf Fontane bezügliche regionalhistorische Aufsätze, da kommen nicht nur Autoren aus der DDR zu Wort, sondern auch Wissenschaftler aus zahlreichen anderen Ländern — wodurch gleichsam eine wichtige Komponente im Denken und Empfinden des „Stechlin"- Autors weiterwirkt: das Wechselverhältnis von „Heimat“ und „Welt“ —; da werden unbekannte Quellen erschlossen und neue Veröffentlichungen angezeigt oder rezensiert. Doch nicht allein den Bedürfnissen der Forschung wird Rechnung getragen, sondern auch den Interessen aller übrigen Leser und Freunde Fontanes.
Daß die FONTANE-BLÄTTER jedem Fontane-Forscher zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel geworden sind, ist schon oft gesagt worden. Der Schreiber dieser Zeilen, seit längerem befaßt mit der Kommentierung der Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ und mit einer Arbeit über Fontanes selbstbiographische Schriften, möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den Herausgebern und all jenen Beiträgem Dank zu sagen, die durch Quellenpublikationen — darunter die Erstveröffentlichungen von mehr als hundert Briefen — und durch wissenschaftliche Untersuchungen seine Kenntnisse erweitert und bereichert haben.
Wenn es erlaubt ist, zum Schluß einen Wunsch auszusprechen, dann wäre es der nach einer noch stärkeren erkenntnisfördemden wissenschaftlichen Auseinandersetzung um Fontanes Werk im Kontext der nationalen und internationalen Erbe-Rezeption und unter dem Aspekt gegenwärtiger Traditionsbeziehungen.
Dr. phil. Peter Goldammer Stellvertretender Generaldirektor der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar
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