Heft 
(1983) 35
Seite
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Charlotte Jolles (London)

Waltham-Abbey

Doch heut im Hastingsfelde dein Sang und dein Klang Der tönet mir in den Ohren mein Leben lang

Ludwig Uhland.

Waltham-Abbey, als Feuilleton im Juli 1857 in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung erschienen, ist ein Essay, der besonderer Betrachtung wert ist. 1 Einmal beleuchtet er die enge Verbindung von Fontanes stark aus­geprägtem Interesse an allem Geschichtlichen mit dem Dichterischen weist also auf die Symbiose von Geschichte und Poesie bei Fontane, die vor allem in seiner Balladenkunst zum Ausdruck kommt. Zweitens fällt dieser Essay in eine Zeit von Fontanes Entwicklung, wo er sich von der Ballade und gleichzeitig der geschichtlichen Vergangenheit abwendet und wo die Behandlung der Gegenwart in den Vordergrund rückt, womit gleichzeitig die Prosa die Form seines künstlerischen Ausdrucks wird. Drittens wird in diesem Prosastück ein dichterisches Motiv behandelt, das Fontane von seinen Kinderjahren an bis zu seinem letzten Werk, dem Stechlin, begleitet hat.

Beginnen wir mit dem zweiten Punkt, der Entstehung dieses Essays. Er steht etwas vereinzelt inmitten der politischen Berichterstattung aus Eng­land und gehört fast mehr in die ein Jahr später in derselben Zeitung veröffentlichte ReiheAus der Weltstadt Straßen, nur daß er ein wenig aus der Metropole herausführt und mit einem kurzen Überblick über die Umgebung Londons beginnt Windsor, Hampton Court, Greenwich usw., also einen Zirkel um London schlägt, um an einer Stelle haltzumachen, die aus dem Gros der sonntäglichen Ausflüge herausragt, nämlich an W altham-Abbey.

Der Essay beginnt in der Gegenwart es ist eine Wanderung in die Um­gebung Londons, an eine historische Stätte allerdings, die den Essayisten einlädt, sich in das Historische zu vertiefen, der dann aber am Ende bewußt Abschied nimmt von der Vergangenheit und in die Gegenwart zurücktritt, für die Rückfahrt nicht mehr den Wagen wählt, sondern sich für Dampf und Eisenbahn entscheidet, Symbole moderner Entwicklung. Zwei aus entgegengesetzter Richtung kommende Lokomotiven lagen schnaubend nebeneinander, die eine der ,Cromwell, die andere der ,James Watt 1 : ,Waltham-Abbey ,CromweU ,James Watt wiederholte ich mir langsam. Die englische Geschichte liegt zwischen diesen Namen. Hastings­feld und Waltham-Abbey waren Tod und Begräbnis des alten Sachsentums, Cromwell war sein Rächer, und mit dem dritten Namen kam unsere Zeit, die Zeit, die rastlose Verbindung und Vereinigung webt; wird sie auch Einigung weben und Frieden und Glück? Der Essay endet also in der Gegenwart, wie er mit dieser begonnen hat. Eingebettet in Anfang und Ende aber haben wir eine ,Ballade in Prosa, wie Wolfsohn schon Fontanes Novelle James Monmouth genannt hatte. James Monmouth war 1854 in der

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