Argo erschienen, in dem Jahr, in dem auch die meisten seiner altenglischen Balladen veröffentlicht wurden. Danach folgt wieder ein Balladenjahr, 1859, in dem die alt-schottischen Balladen erscheinen, und auch in Jenseit des Tweed hat das Historische noch einmal Übergewicht; das lag an der Geschichte Schottlands und deren poetischer Verarbeitung bei Walter Scott, Fontanes großem Vorbild. Aber die Hinwendung zur Gegenwart, zu Dampf und Eisenbahn, wird in diesen Jahren immer deutlicher, wenn auch noch ein langer Weg vor Fontane liegt, ehe er sich ganz lossagt von Bataillen und Bataillonen und ehe er seinen Pastor Lorenzen sagen läßt, daß für ihn an deren Stelle Erfinder und Entdecker treten, daß James Watt und Siemens jetzt mehr bedeuten als du Guesclin und Bayard.
Im Aufbau ist dieser Essay schon den märkischen Wanderungskapiteln ähnlich: die Anfahrt im offenen Wagen und die Betrachtung der Landschaft, bis die historische Stätte erreicht ist. Diese, die alte Abteikirche, steht im Mittelpunkt des Essays. Ursprünglich von einem Manne namens Tovi erbaut, wurde die Kirche 1060, sechs Jahre vor der Schlacht von Hastings, von Harold als Kirche mit einer Abtei neu gegründet und ist eine der ältesten Kirchen Englands. Aber Fontane berichtet nichts über die Geschichte der Kirche. Für ihn steht die .Ballade in Prosa' im Brennpunkt, die eine Legende zur Grundlage hat, wonach zwei Mönche von Waltham- Abbey die Leiche des Königs Harold vergebens auf dem Schlachtfeld von Hastings gesucht haben, bis Edith Schwanenhals, die Geliebte des Königs, ausgesandt wurde und den Toten fand, der dann nach Waltham-Abbey gebracht und dort begraben wurde.
Fontane hat immer wieder von seinem großen Interesse an der Geschichte gesprochen. Dieses Interesse war aber nie akademisch, es war immer poetischer Natur. Die Geschichte bot ihm poetische Inspiration. Er war ,Geschichtsfreund' aber mehr noch .Dichter'. Wie Fontane uns in die Geschichte von Waltham-Abbey einführt, ist bezeichnend für sein ganzes Verhältnis zur Geschichte: „Der Name Waltham-Abbey ist mit verwebt in das Trauerspiel des Hastingstages“, heißt es hier. „Zu Waltham-Abbey spielt die letzte Szene des letzten Aktes. Der Geschichtskundige weiß, daß der Abt von Waltham, ein treuer Anhänger König Haralds, zwei Mönche aussandte, um die Leiche des Königs auf dem Schlachtfelde zu suchen, und daß die Mönche trauernd heimkehrten, ohne den König gefunden zu haben; der Poet weiß, daß die Mönche vergebens suchten, bis Edith Schwanenhals, die Geliebte des Königs, ihnen folgte und mit dem scharfen Auge der Liebe den Toten unter den Toten entdeckte; ..." (Sperrungen C. J.) Fontane stellt sich mit seiner Ballade in Prosa auf die Seite des Poeten. Für ihn liegt Harold da, wo ein mächtiger Ulmenbaum seine Äste ausstreckt. Die Forscher, die behaupten, Harold liege im Dünensande von Pevensey, lehnt er ab. „Das klingt nach Wahrheit; aber die Sage spricht von Edith und von Waltham-Abtei und die Sage hat immer recht, selbst dann noch, wenn sie unrecht hätte.“ „Das Poetische — vorausgesetzt, daß man etwas anderes darunter versteht als meine Freundin Jenny Treibei“ — sagt Willibald Schmidt, — „das Poetische hat immer recht; es wächst weit über das Historische hinaus ... “. Das Poetische ist das Wahre.