Aus dem Trauerspiel des Hastingstages — Tod und Begräbnis des alten Sachsentums —, also einem so entscheidenden Wendepunkt, der die angelsächsische Phase der englischen Geschichte beendete, greift der Dichter Fontane, angeregt durch den Geist der Stätte Waltham-Abbey, e i n Ereignis heraus: Die Suche nach dem Leichnam des Königs und dessen Begräbnis, denn ihm gilt auch in der Geschichte das anscheinend Kleine, das Nebensächliche, das Anekdotische besonders viel, wie es schon seinem Vater viel gegolten hatte. Und wieder gibt er uns in seiner Frau Jenny Treibei den Kommentar dazu: „Das Nebensächliche, soviel ist richtig, gilt nichts, wenn es bloß nebensächlich ist, wenn nichts drinsteckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache, denn es gibt einem dann immer das eigentlich Menschliche.“ Es ist das eigentlich Menschliche in der Anekdote von Edith Schwanenhals, der Geliebten Harolds, die seinen Leichnam findet, was ihm diese Anekdote so wert machte. Dieser kleine Essay ist denn auch künstlerisch viel gelungener als der von 1853/54, der ebenfalls das Thema Hastingsfeld behandelt, aber entgegen der Prägnanz des Walt- ham-Abbey-Aufsatzes viel weiter ausholt,
Waltham-Abbey behandelt ein dichterisches Motiv, das Fontane zeit seines Lebens gefesselt hat, von der Kindheit bis ins letzte Lebensjahr. Es ist die Schlacht von Hastings, in der der Normannenherzog Wilhelm den sächsischen König Harold besiegte, ein geschichtliches Ereignis, das mehrere Generationen von Dichtern inspiriert hat. In dem Kapitel Hastingsfeld, das sein Reisebuch Ein Sommer in London beschließt, erinnert Fontane selber an den Zauber, den jene historische Stätte von je für ihn gehabt hat: „Wie oft, in den Träumen meiner Kindheit, hatt’ ich die Kreideklippe gesehen, dran sich, laut Liedern und Sagen, das Rolandslied des Taillefer brach.“ Hastingsfeld war ihm das romantische Land, wohin ihn Sehnsucht und Phantasie so oft getragen. Geschichte und Imagination: Das bedeutet für Fontane der Begriff ,Altromantik 1 . Auch in Waltham-Abbey spricht er von seinen Knabenjahren, „wo ich mit großen Augen vom Hastingstage und dem Taillefer las“. Uhlands Ballade Taillefer gehörte sicherlich zu Fontanes festem literarischem Bestand aus seiner Kindheit her. Es ist eine echte Heldenballade, die einen Knaben des frühen neunzehnten Jahrhunderts entzücken mußte. Da ist der Taillefer, Sänger und Ritter, der mit seinem Herzog ins Gefilde reitet:
„Dort reitet, bei Gott! ein stattlicher Held.“
Und da ist Roland und manch andrer frommer Held, von denen Taillefer sang, als er dem Normannenheer vorausschritt:
„Und als das Rolandslied wie ein Sturm erscholl,
Da wallete manch Panier, manch Herze schwoll,
Da brannten Ritter und Mannen von hohem Mut,
Der Taillefer sang und schnürte das Feuer gut.“
Da ist aber schließlich auch der Sieger, Wilhelm der Eroberer, selber: „Herr Wilhelm steckte sein Banner aufs blutige Feld,
Inmitten der Toten spannt’ er sein Gezelt,
Da saß er am Mahle, den goldnen Pokal in der Hand,
Auf dem Haupte die Königskrone von Engelland.“
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