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Wenn der Wind auf den Dndelsack pfeift, tanzt das Meer — und solche Kunde — alle Heiligen, mein Herr Kapitän, allen Respekt; solche Ehre ist meinem Haus noch nie widerfahren. Da bin ich im Stande und fahre auch mit nach Moskau, um den Herren die Füße zu küssen. He, Iwan, wo steckt der Schlingel? Das verdient eine Flasche Champagner! Nadja, gib ihm die Schlüssel."
Und wie ein vergnügtes Kind geberdete sich der alte Mann, der in all' seiner Hinfälligkeit wieder jung geworden zu sein meinte. Nur mit Mühe brachten wir ihn davon ab, das Gelage zu erneuern.
Da er ein guter, rechtgläubiger Russe war, genügte der Hinweis, daß wir noch in der dritten Woche der Fastenzeit und daß er morgen das heilige Abendmahl nehmen wolle.
Beiläufig begann jetzt, als wir schon aufgestanden waren, um uns zur Ruhe zu begeben, einer von den Verwaltern und er erzählte als neuestes Ge- heimniß, daß er gehört habe, es sei auf dem Transporte der Verurtheilten nach Sibirien hie und da
unterwegs zu Tumulten, ja zum offenen Kampfe gekommen, um die Unglücklichen zu befreien. Man wolle die Sache vertuschen und es sei verboten, davon zu reden, aber gerade deßhalb müsse es wahr sein.
Wir hörten diese Mittheilung mit sehr verschiedener Empfindung. Wir Alle dachten an Wadkowski und Tatiana, aber Niemand gab seinen Gedanken Worte. Man trennte sich noch zu früher Stunde.
Beim Abschied flüsterte mir Nadjeschda zu: „Was sagen Sie, Oberst? Muß ich durchaus nach Moskau? Kann man nicht krank werden vorher? Geben Sie mir morgen Ihren Rath."
Und Sherwood folgte mir bis vor die Thür meines Schlafzimmers.
„Noch ein Wort, Oberst. Ich muß Sie morgen noch allein sprechen und vor der Kirche. Vielleicht im Park an der Bank unter den Weiden. Ich habe Ihnen noch viel zu erzählen, auch Ihren Rath möchte ich hören. Jetzt handelt es sich um das Höchste. Kommen Sie ja. Gute Nacht!"
(Fortsetzung folgt.)
Mosaik.
Au genau. Ein recht unangenehmer Jrrthum passirte vor einiger Zeit einem jungen Arzt. Derselbe hatte eine junge Wittwe längere Zeit behandelt und es war ihm gelungen, die Dame von einem alten, lästigen Nebel zu befreien. Bei dem letzten Besuche brachte der Arzt seine Gratulation zur Genesung an. Die Wittwe dankte herzlich, ging an den Schreibtisch und entnahm demselben eine hochelegante, eigenhändig gehäkelte Börse, sie dem Arzt mit der Bitte überreichend, er möge diese kleine Anerkennung als einen besonderen Ausdruck ihres Dankes entgegennehmen. Der Mediziner, ein praktischer Mann, war etwas konsternirt ob des zwar eleganten, aber doch mäßigen Honorars und verbeugte sich mit den Worten: „Mein Honorar beträgt zweihundert Mark!" Die Dame trat einen Schritt zurück, wurde roth bis unter die Stirne, nahm den in der Börse befindlichen Fünshundertmarkschein heraus und hielt ihn mit der Bemerkung hin: „Nun, bitte, vielleicht können Sie mir herausgeben."
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Unglückseliges Kötenspiel. Der berühmte Schauspieler- John Kemblc gastirte einmal an einer kleinen Provinzialbühne Englands als Hamlet. Den Güldenstern spielte zufällig ein Schauspieler, welcher Dilettant auf der Flöte war und sich nicht wenig aus seine Kunst einbildete. Hamlet: Wollt Ihr nicht auf dieser Flöte spielen? — „Ich kann nicht, mein Prinz," sagt Güldenstern, gepreßten Tones sein Talent verleugnend. Darauf Hamlet-Kemble mit dem ganzen Zauber der Ueber- redung: „Ich bitte Euch aber darum." Das geht über Gülden- stern's Kräfte. „Geben Sie her, mein Prinz," stammelt er, und spielt zum Entsetzen Kemble's und zum Gaudium des loyalen Publikums — „Ooä snve tim gneen".
Unverbesserlich. Einige Herren diskutirten über die Frage, wie viel Frauen cs im Ganzen auf der Erde gebe. „Sie sind ja Statistiker von Beruf," wandte sich einer derselben an einen als Hagestolz und Weiberfeind bekannten Herrn, „sagen Sie uns, wie viel Personen weiblichen Geschlechts es im Ganzen gibt?" — „Für mich gibt es überhaupt keine," antwortete grimmig der Unverbesserliche.
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„Welche Ähnlichkeit ist zwischen einer jungen Frau und einem Oberstlieutenant?" — „Sie streben Beide nach dem Regiment."
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A oder U. Der alte Universitätsprofessor M. erzählt: Als ich noch ein junger Student in Leipzig war, ging ich einmal mit dem berühmten Mathematiker G. im Rosenthal spazieren. G., welcher mehr in der abstrakten Welt mathematischer Formeln als in der Wirklichkeit lebte, vertiefte, sich alsbald in die Auseinandersetzung eines ganz abstrusen Problems. Je mehr sich G., neben mir hinschreitend, in seinen Gegenstand vertiefte, desto unaufmerksamer wurde ich. Der schöne Frühlingstag, die vorüberziehendcn Mädchen und der Gesang der Vögel interessirten mich mehr als das n b — e des Professors. „Und daraus ergibt sich, wie Sie sehen, x," schloß G. endlich seine Kalkulation. „Also wirklich x?" machte ich in zweifelndem Tone, um nur irgend etwas zu sagen und nicht unhöflich zu erscheinen. G. stutzte. „Sollte ich einen Rechenfehler gemacht haben?" stotterte er und ließ die ganze Entwicklung nochmals an seinem Geist vorüberziehen. „Bei Gott, Sie haben Recht, lieber M.," schrie er plötzlich auf, „nicht x kommt heraus, sondern i^!" Seit dieser Stunde bezeigte der gute G. eine unbegrenzte Hochachtung vor meinen — mathematischen Kenntnissen.
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Redaktion: Du Edmund Zoller. Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallbergcr) in Stuttgart.