Heft 
(1984) 38
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könnte. Aber außer Ihnen und mir, werden mir nicht viele mehr das Recht zugestehn, in diesem Streite mitzukämpfen, denn ich habe den Kron­prinzen nicht persönlich gekannt. Und darauf kommt es doch in dem gegenwärtigen Stadium des Streites 252 an. Ich hatte gleich im Nu den Stoff dahin disponirt:

1. Durfte Freytag dies veröffentlichen? .Ja! 253

2. Hat er inhaltlich Recht? Zur Hälfte ja, zur Hälfte nein. Alles was er sagt, ist richtig; aber er sagt nicht alles, er läßt sehr Wichtiges fort und unter dem Fortgelassenen ist Vieles, was den ganzen Mann nicht edler und besser, aber würdiger und bedeutender erscheinen lassen würde.

3. Worin liegen diese künstlerischen und historischen Mängel des Charak­terbildes begründet? In Freytags fragwürdigem Charakter 2V * und in Frey­tags fragwürdigem Stil. Es könnte dasselbe gesagt sein und doch minder verletzend wirken, wenn es ehrlicher gesagt wäre, nicht alles um die Ecke 235 .

1 macht gar keine Schwierigkeiten; ich habe da meine Beweisführung oder das was mir dafür gilt, in der Tasche. 3 macht eher Schwierigkeiten, aber keine großen und ich hätte den Muth, dem berühmten Schriftsteller und Historiker den Handschuh hinzuwerfen; ich hätte den Muth, weil ich in meinem Gemüth der Sache seit lange sicher bin. Freytag ist keine edle Natur; wichtigthuerisch und zum Ueberfluß auch noch von einer Persön­lichkeit verwöhnt, die noch zweifelhafter ist, als er selbst 25fl . Also über 1 und 3 käme ich hin, aber die Schwierigkeiten von 2 sind unübersteiglich. Es kommen halb humoristische Gerichtsverhandlungen vor, wo der Präsi­dent mit einem Male sagt;Reden Sie hier nicht mit; Sie gehören eigentlich gar nicht hierher; ich werde Sie entfernen lassen. Das ist meine Situation. Ich könnte mich mit einem beliebigen Historiker in Erlangen oder Tübin­gen, der den Kronprinzen nie gesehn, in einen ebenbürtigen Kampf einlassen, ja wäre ihm als Berliner und Landeskind um einen Pas voraus, was aber Freytag, Schräder 257 und Delbrück 258 gesagt haben, das kann ich weder bestätigen noch widerlegen. Ich kann das im Gespräch thun, in einem Berliner Salon, aber nicht in den Spalten einer Zeitschrift und noch dazu als Letzter und als 70jähriger, also mit den Aspirationen des Besser­wissers. Für mich persönlich, ich muß das wiederholen, steht der Charakter des Kronprinzen bummsfest 259 , ich seh ihn als ob ich hellseherisch wäre, aber dieser schöne Glaube an mich selber, hilft mir nicht viel vor den Menschen, und so würde ich von deneingeweihten Herrn sehr spöttisch heimgeschickt werden. Es geht also beim besten Willen nicht, zu meinem lebhaften Bedauern nicht.

Ich habe aber, nach einem Nachmittagsschlaf, einen erhabenen Gedanken gehabt:

Satteln Sie morgen Vormittag, rücken Sie Exc. Friedberg 280 auf die Bude und machen Sie ihn fest. Entweder muß er Ihnen etwas schreiben oder Sie interviewen ihn einfach und sagen ihm: Excellenz ich schreibe nun das und das nieder, ohne Namensnennung, oder auch mit Namensnennung, nachdem Sie vorher das Niedergeschriebene gelesen und gebilligt haben werden.

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